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Texte zur Kunst Nr.114 / Juni 2019
Über Norbert Schwontkowski "Die von da", CFA, Berlin,
22.01 - 07.03.2019

Best SingerSong Painting

Norbert Schwontkowski ist nach wie vor ein unterschätzter Maler. Vielleicht auch weil er eine Vorliebe für unterschätzte Motive pflegte. Wenn das Toilettenpapier wieder falsch abgerissen ist, das hätte womöglich eines seiner Motive sein können. Oder sich verknotete Schnürsenkel nicht lösen lassen. Beides wäre aber eher zu dramatisch für seine gezielte Sujetwahl zwischen Unspektakulär und Nichtgeschehen. (Genau dazwischen ist der Humus/Nährboden für eine unbedingt eigenständige Bildpoesie entstanden, die in ihrer harten Banalität oft ergreifend oder berührend essentiell wird.) In einer Grauzone der Bedeutungsversprechen, wo sich selbst die Wahrnehmung sofort gelangweilt wegdreht, findet seine Malerei eine Fülle an kleinteiligen, unmerklich überraschenden Bildmomenten. Das Wort „Überraschung“ weckt viel zu hochgestellte Erwartungen. Unterraschung wäre passender, wenn es das Wort denn gäbe. Unterschätzt ist sein Oeuvre vermutlich auch wegen seiner späten Entdeckung im Kunstbetrieb und seinem bedauerlich früher Tod vor sechs Jahren, was beides mehr Präsenz wie größeren Erfolg verhindert haben mag. Eigentlich zur Generation der neuen Wilden gehörend war seine vermeintlich leise Position in diesem Umfeld zum Übersehen (werden) vorbestimmt, falls er denn da gern dabei gewesen wäre. Wenn die neuen Wilden eine gepinselte Entsprechung zum Punkrock oder NewWave sein wollten, steht Schwontkowski für ein nachhaltiges Modell des malenden Singer-Songwriters seit den achtziger Jahren. Man wundert sich ohnehin über die wenig ausdifferenzierten Begrifflichkeiten zwischen Neoexpressionismus, Neue Wilden und Bad Painting, die die Kunstgeschichte und/oder Kunstkritik anzubieten hat. In diesem Sinne geht es hier nicht expressiv, eher LowFi zu. Es ist mehr underskilled als nonskilled. Sicher kein SUV, wie alle XXL-Formate kommender oder gehender Staatsmaler der globalisierten Kunstwelt immer mehr anmuten. Eher einer dieser kleineren Gebrauchtwagen, die schon lange nicht mehr wegen Abgaswerte in die Innenstädte dürfen. Abstiegsbedrohte Autoaddicts werden die Landbevölkerung weiter radikalisieren, nur damit alle Helikoptereltern 120 Jahre alt werden müssen? Die große Geste verstellt den Blick für das Wesentliche, das sich markanter meist im Kleinen, Stillen und Unscheinbaren herausarbeiten lässt, wie man hier sehen kann.

Norbert Schwontkowski wäre in diesem Jahr siebzig Jahre alt geworden und ich hatte mich schon vor zehn Jahren auf sein Spätwerk gefreut. Ein wenig als Vorspiel oder Auftakt für eine große Retrospektive im Kunstmuseum Bonn kommenden Herbst war bei Contemporary Fine Arts eine behutsam kuratierte Ausstellung „Die von da“ mit Bildern des Malers zu sehen, die auf vielfältige Weise das Thema Bild im Bild, Bildöffnung oder auch Loch im Bild selbst bespielten. Das Bild als verdoppeltes Loch zur Welt (um nicht immer Fenster zur Welt zu schreiben), macht in Schwontkowskis Werk zwar kein gänzlich neues Fass auf, zeigt aber einen versteckten roten Faden in seinem Ouevre, von denen es sicher noch einige andere zu entdecken gibt.

Die Bilder zeigen Begebenheiten von substantiell Profanem. Es ist immer eine leise humoreske Poesie im Gange, wenn man sie nur sehen will, auch wenn dir gerade vorhin das Bein abgenommen wurde, was es natürlich in seiner Bildwelt nie zu sehen gegeben hätte. Das ist die eine große Konstante in Schwontkowskis Bildwelt. Coole Demut, sonst eher eine asymmetrische Begriffspäarchenbildung, das klingt auch bekannt christlich tröstlich, aber so weit will der Pinsel hier gar nicht greifen. Diese Art Bildgeschehen ist wie isoliert auf einem meist schlackig malerisch diffusen Hintergrund - besser Malgrund – platziert und wirkt am ehesten be(d)rückt durch durchweg gedämpfte Farbigkeiten im Hintergrund. Diese schimmern meist zwischen bedrohten Braunkohletagebau oder Feinstaubzonen herum. Wahrscheinlich gibt es im gesamten Ouevre keine einzige Bildstelle mit Primärfarben. Der immer speziell diffuse Farbraum erklärt sich auch durch die selbst angemischten Farbpigmente in Verbindung mit Metalloxiden. Der Malduktus verschwindet mit großer Selbstverständlichkeit gezielt im versackten Pinselsmog. Auf Farbschemen wie von vertrockneten Abwasserspektren sind freigestellt Bildprotagonisten platziert, die eben charmant alles unterlaufen, womit die Erwartungen hoher Kunst sonst öde gepflegt hausieren geht. Mit einer gekonnt fahrigen Unbeholfenheit, natürlich bewusst eingesetzt, kommen das Bildpersonal oder Interieurs wie ausgerutscht oder hingeworfen ins Bild.

 Eine Art detaillierter Umgebung oder gar Umwelt, in der z.B. der Herr konsterniert in seinen Zylinder schaut, wird nie mitgeliefert. Er schaut eher hilflos in den Hut, wahrscheinlich um sich von seiner Problemfrisur abzulenken. Ein Pferd schaut aus einem Fenster im Obergeschoss eines Haus. Falls es springen wollte, es würde nicht durchs Fenster passen. Ein Mann nimmt ein Fußbad. Zwei Motive zeigen junge Frauen sich selbstbetrachtend im Handspiegel. Auf dem einen Bild zeigt sich kein Spiegelbild. Zombiealarm? Schon wieder zu weit gedacht. Ein Jemand schaut in ein großes Loch in einer Vase und hat die Hand dabei im Mund, aber nicht so, als wollte er stellvertretend das Loch verstopfen, aus dem ohnehin schon lange kein Wasser läuft, wie die wenigen dürren Stiele in der Vase zeigen. Ein Mann beugt sich tief aus einem Fenster. Ein Mann schaut in ein angedeutetes Loch im Boden. Titel: „8.Versuch die Welt zu verstehen“. Diese Kurzbeschreibungen von Bildern der Ausstellung zeigen, das Bildgeschehen ist maximal dramafrei. Man kann diese Bilder bedenkenlos selbst dem ungeborenen Kind zeigen. Die Stimmung ist weder verzweifelt noch hoffnungsfroh. Neutral passt auch nicht, eher bedrückte Akzeptanz, die immer noch zart schmunzeln kann. Dass so viel sympathisierende Demut an Hinnehmen nicht doch schnell nervt, ist wahrscheinlich auch eine Leistung dieser vermeintlich huschigen beilläufigen Malweise, die gerade so ein rätselhaft hohes suggestives Potential freisetzt.

 

Texte zur Kunst Nr.100 / November. 2015

Embedded Nudes

Arno Rink als Position in der Malerei der DDR schwirrt nach wie vor leicht geheimnisvoll bis vielversprechend herum, auch schon bevor die Feuilletons anlässlich seiner diesjährigen Retrospektive in der Kunsthalle Rostock sich plötzlich wohlwollend seinem Werk widmen. Selbst das Heute-Journal hat seine Kameras durch die Ausstellung geschickt. Wolfgang Mattheuer oder Werner Tübcke haben es bisher zu mehr bundesweiter Bekanntheit gebracht. Arno Rink ist gesamtdeutsch in erster Linie bekannt als Lehrer von Neo Rauch.

Man kann manche Malerei aus der DDR auch heute noch aus westlicher Sicht schwer verstehen. Geschweige denn nachvollziehen, wie diese oder jene stilistische Finesse und Setzung im damaligen Staatswesen für nachhaltige Achtung (auch bei nachfolgenden Generationen) sorgen konnte. Wahrscheinlich ist dieser Verständnisanspruch schon eine entscheidende Fehlleistung in einer längeren gesamtdeutschen Missverständniskette. Die Möglichkeit zu einer plausiblen Rekapitulation der Malgründe erwartet man weder von spanischer oder finnischer Malerei aus den letzten Jahrzehnten. Nur weil ein stark different geprägter Kulturkreis dieselbe Sprache benutzt (hat), soll sich plötzlich eine Nachvollziehbarkeit einstellen, von wo aus dann eine Beurteilung möglich wird, die wiederum eben von Vergleichsmomenten ausgeht. So übersichtlich wie sein Instrumentarium ist, braucht der Werkzeugkasten der Kunstkritik noch nicht mal einen Kasten.

Die Kunst in der DDR hatte sich bald gegen einen Fortschrittsglauben in der Avantgardelogik positioniert, aus welchen Gründen ist hier zweitrangig. Wo es kein Vorne geben darf, hilft nur das Zurück: In diesem Sinne hat die DDR-Kunst die Kunstgeschichte zu großen Teilen als verdienstvolle Ressource zu nutzen und neu zu kompilieren versucht, lange bevor die Remodernisten im globalisiert entgrenzten Westen in den Nuller Jahren die Repertoirekunst zum Nonplusultra erklärt haben. Oder anders gesagt: Im Osten hatte man frühzeitig die Dringlichkeit einer produktiven Aufarbeitung der klassischen Moderne erkannt.

Ich habe trotzdem keinen Schimmer, warum die Malerei von Arno Rink so ausschaut, wie sie ausschaut. Und das tut sie mit kleineren Abschweifungen über vier Jahrzehnte mit einer sehr konsequenten Stilkonsistenz. Es wird ein stringentes Bildprogramm ein Malerleben lang durchgehalten, durchgesetzt und recht kleinteilig ausdifferenziert. Befremdlich steif, und warum immer diese verklumpten Figurengruppen? So eine Art ewig wiederkehrendes komplexes Gruppenbild mit nackter Dame scheint das Grundgesetz dieser Malereiposition zu sein, von wo aus mannigfaltige Nuancen an Variationen verfolgt wurden/werden. Unbekleidete Frauen kommen in der zeitgenössischen Malerei auf angemessene Weise (was immer das sein mag) kaum vor. Es sei denn, da wird ambivalent, meist scheinironisch im gängigen Symbolhaushalt rumgetriggert, siehe John Currin oder Richard Phillips. Besagte Nichtdarstellung hat ihre berechtigten Gründe, eben weil die Darstellung des weiblichen Körpers eine jahrhundertlange Tradition der Verfänglichkeit bis Missbrauchs erfahren hat. Also gibt es weitgehend diesen Common-sense eines konsequenten Besser-nicht. Sie kommen also einfach nicht vor. Bei Arno Rink dagegen schon. Versuchshalber könnte man hier einen positiven Strick daraus drehen, irgendwas mit Chauvinismusverdacht oder Beutevouyerismus verfängt bei ihm ohnehin nicht. So versteinert wie diese Leibesdarstellungen wirken, hat das ähnlich viel damit zu tun wie Youporn mit erotischen Momenten. Wobei man dann wieder mit der formalen Malereikeule winken könnte: Wenn schon immer gemaltes Menschenfleisch, warum kann das Betrachterauge dann nicht auch augenfingerartig dort sanft hineindrücken dürfen? Oder ist das postmedial entgrenzend gemeint, wenn hier Gemaltes förmlich nach Steinbildhauerei riecht? Wenn Malerei etwas kann/können könnte, dann doch brillant bildnerisch abgekürzt die unmittelbare Suggestion materieller/physischer Konsistenzen? Gute Frage, wo es das zuletzt zeitgenössisch imposant zu sehen gab.

Zu Arno Rinks maßgeblichen Einflüssen zählen sicher Otto Dix, der frühe Max Beckmann, der Surrealismus sowie besonders auch Salvador Dalí, was insofern mutig war, da dieser in der DDR unter Faschismusverdacht stand, und in der westlichen Kunstwelt eher aus anderen Gründen unbeliebt war. Außer gleißend dramatischer Lichtgebung und später weiten sphärischen Landschaftsszenarien finden sich wenig direkte Anklänge zu Dalís extravaganter Malerei. Eigentlich schade. Rink ist durchweg härter, kälter und perfekter in einer nicht sichtbaren Pinselführung. Nahezu alle Bildflächen und modellierenden Verläufe wirken wie oberflächentechnisch mit Farbschichten versiegelt. Pinselduktus und offene Stellen scheinen hier nahezu verboten, jedenfalls bis in die achtziger Jahre. Auch wenn sich dann öfter eine rauere Bildstruktur per Arbeitsspuren einstellt, treten die Bilder nach wie vor aus einem kalten harschen Untergrund hervor. In den Neunzigern kehrt Rink dann wieder zu der Maloberflächenperfektion aus den Siebzigern zurück. Die Ensembles von Personen sind immer beengt ineinander montiert. Alle treffen sich wie zum ersten Mal und wahrscheinlich nie wieder. Die Konturen wirken wie messerscharf gestanzt. Die verschiedenen Protagonisten dieser fortwährenden Gruppierungen scheinen immer zu ringen mit etwas, ihrem Bildnachbarn oder auch einer grafisch-orientierten Verschmelzung im Bildgefüge.

Einzelne Wesen kommen fast nur als Selbstporträts vor. Und die sind erfrischend in lockerer, manchmal belustigt weggerutschter Pinselführung gefasst. Eine Ausstellung mit ausschließlich Selbstportraits, vielleicht einfach etwa zehnmal so viel und auch entsprechend unterschiedlich in der Machart, fände ich sofort eine Supershow, was sicher auch an (m)einer westlichen BRD-Kunstsozialisierung liegen mag. Die leider gerade angesichts einer trüben „Deutsche Malerei der 80er Jahre“-Show im Frankfurter Städel zunehmend bedenklich wird, bei derviele der gezeigten Zugänge zu Malerei (aus einer strategischen Nicht-Malerei-Pose heraus) zwischen Parodie, Karaoke und Pastiche im historischen Rampenlicht heute verloren gehen. Der Schritt von den malerischen Gesten zum malenden Posen hat scheinbar keine kunstrelevante Halbwertzeit über dreißig Jahre hinweg. Es wirkt alles wie auf Sand gebaut, der noch nicht mal da war, und darum fingen junge Leute wie ich damals auch an zu malen, oje.

„Die bildhafte Gestaltung von Grundfragen der menschlichen Existenz“ ist dagegen Rinks Hauptanliegen laut einem Katalogtext aus den frühen Achtzigern. Natürlich abgeschmackt, so historisch rückwärtsgewandt die Legimitierung vorzuführen. Gäbe es die DDR noch, könnte das auch dort inzwischen zu viel des Anthropozentrismus sein. Wenn Existenzialismus heute, kommt er schließlich nur noch in Datenschutzfragen, als Selfie oder bei Knausgård zum Tragen.

Trotzdem: Arno Rink muss übersehene Qualitäten haben; wenn ein Gesamtwerk dermaßen unstylish befremdet, bzw. sich in absolut keinem visuellen zeitgenössischen Code auch nur irgendwie andocken läßt, seine unbestreitbare Eigenständigkeit noch nicht mal vor sich her tragen muss, dann muss da eigentlich ein beträchtliches Widerstandspotential stecken. Das frappierend Unzeitgemäße blinzelt einem hier stellenweise durchaus verlockend zu.


Secret Universe 2:
Paul Laffoley
Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin
04.11.2011 – 04.03.2012

VON HUNDERT 12 / 2011

Echtes Sendungsbewusstsein mit Letraset und Pinselskalpell

Die Ausstellungsreihe „Secret Universe“ im Programm des Hamburger Bahnhof ist mal etwas, das man uneingeschränkt loben kann. Unterstützt wird die monographische Reihe mit unterrepräsentierten Positionen jenseits der Konsenskunst von About Change, einer Kunststiftung von Christiane zu Salms. Die beiden bisherigen Ausstellungen in der Reihe (zuerst Horst Ademeit, jetzt Paul Laffoley) mögen für den normalen Besucher vergleichsweise nerdig bis spleenig wirken. Die anderen Besucher freuen sich trotzdem. Möglicherweise sollen nach Meinung einer Mainstream-Institution wie dem Hamburger Bahnhof hier sogenannte konsensferne Künstler in die nachhaltige Utopie- und Avantgardelücke einspringen, die speziell auch die vermeintlich utopischen Lebensraumentwürfe von Saraceno mit einem Buckminster-Fuller-Aufguss in der Haupthalle nicht annähernd füllen kann.

Auch wenn Sascha Lobo so ein mediales Unding ist, muss man Leute unterstützen, die hartnäckig an Wortschöpfungen wie „ikeabel“ arbeiten. Seine Wortkreation meint weniger, ob der eigene Körperbau vom neuen Ikeaschrank rausgeschmissen wird, sondern umschreibt vielmehr einen Ikeabesuch mit dem künftigen Lebenspartner als ultimativen Beziehungs-Stresstest. Angesichts des Hangs zu Eventshows im Hamburger-Bahnhof (siehe Carsten Höller, wie erwähnt Saraceno, sowie einer Art gemalten Zooausstellung von Walton Ford) muss man nicht unbedingt zu Ikea für den partnerschaftlichen Lackmustest. Der Hamburger Bahnhof ist immerhin zentraler gelegen.

Nach Horst Adameit werden nun imposante, visionär angehauchte Diagramm-Tafelbilder von Paul Laffoley gezeigt. Die minutiös gemalten Großformate veranschaulichen komplexe hochgeistige Sachverhalte untermauert mit Satzkürzeln und Stichwörtern im schon vergessenen Letraset-Klebebuchstabenlayout. „Veranschaulichen“ ist bereits so ein Langstreckenwort, mit dem der beschriebene Sachverhalt selten klarer wird, wenn es zum Einsatz kommt. Absoluter Ordnungssinn und Perfektion stehen eher im unproportionalen Verhältnis zu den teilweise abstrus spirituellen Botschaften aus Laffoleys Universum. Soweit man sie denn überhaupt auf die Schnelle entschlüsseln kann. „Sie könnten das Fundament einer noch namenlosen Religion bilden “ wie Raphael Rubinstein im Katalogtext orakelt. Für die genaueren Hintergründe und Zusammenhänge einzelner Bilder hat der Künstler vorsorglich kurze Erläuterungstexte verfasst. In der Ausstellung werden die sogenannten „Thoughtforms“ nicht gezeigt, im Katalog zumindest auf Englisch abgedruckt.

Die Themenkomplexe, die Laffoleys Tableaus behandeln, geben sich nicht mit Kleinigkeiten zufrieden: Es geht um Schwarze Löcher, Astrologie, Anthroposophie, Kosmologie bis hin zu Fragen der Mathematik der 4. und 5. Dimension. In einzelnen Bildern werden so beispielsweise die Funktionsweise von Wilhelm Reichs Orgon-Maschine oder ein Konstruktionsplan  einer von Laffoley erfundenen Zeitreisemaschine (im ersten Entwurfsstadium) visualisiert.

Gemeinsam haben alle Bilder mehr oder weniger eine hohe verschlüsselte Informations- und Symboldichte, woraus sich meist ein rätselndes Betrachtungsvergnügen ergibt. So wie Poesie oder Pointen aus semantischen Abkürzungen resultieren, entsteht hier irrlichternde Neugier auf mehr Einsicht. Beuys dagegen zu verstehen, ist fast ein Kinderspiel. Oder hätte Niklas Luhmann ein größeres Grafikerherz gehabt, wären mögliche Visualisierungen seiner berühmten Zettelkästen vermutlich nachvollziehbarer ausgefallen. Die Kompositionen sind entweder strikt zentriert ausgerichtet – in einer Art zeitlosem New-Age-Ingenieurslook – oder erinnern bei höherer Komplexität an liebevoll ausgemalte Schalt- und Architekturpläne. Was nicht weiter verwundert, denn Paul Laffoley hat als ausgebildeter Architekt einige Jahre beim legendären Frederick Kiesler gearbeitet, als dessen Pionierleistung es gilt, weiche und runde Formen in das Bauvokabular der Moderne eingebracht zu haben. Oder flapsig gesagt, hat er die Aerodynamik und auch die Todeskurve in die Architektur eingebracht. Nebenbei war Laffoley auch für Andy Warhol tätig, als Kontrolleur des nächtlichen Fernsehprogramms, was damals im Wesentlichen ja aus Testbildern bestand. Laffoleys weitere Karriere als Architekt nahm bei der Planung des World Trade Centers ein jähes Ende, als er vorschlug, beide Türme mit einer Fußgängerbrücke zu verbinden, woraufhin er fristlos gefeuert wurde. Von da an beschloss Paul Laffoley, sich ausschließlich der Kunst zu widmen.

Hier von Malerei im konventionellen Sinne zu sprechen, ist eher irritierend. Entfernt erinnern die Bilder stellenweise an Tomma Abts kurvige, spitzwinklige Kompositionen. Eine vergleichbare skalpellartige Pinselpräzision findet man bei Joe Coleman. Das Thema „gesteigerte Bildkomplexität“ im formalen Sinne wird auch von Zeitgenossen wie Lari Pittman, Franz Ackermann und Julie Mehretu bearbeitet. Insgesamt geht es hier weniger um klassisch bildnerische Ikonographien oder suggestive Bildmomente per Farbauftrag. Die Bildbetrachtung muss hier zwangsläufig leseartig erfolgen, wenn auch nicht im linearen Modus. So etwas steht einer singulären Bilderkraft eher im Wege. Vergleichbar mit dem Versuch, anstatt nur einer Person in die Augen zu schauen, Blickkontakt mit einer ganzen Gruppe aufrecht zu erhalten.

Eine genauere Beschäftigung mit Laffoleys umfangreichem interdisziplinären Wissen und Oeuvre lässt einiges weniger krude und obskur erscheinen. Um so mehr, wenn man bedenkt, dass die ominösen Neutrinos möglicherweise tatsächlich schneller als Licht sein könnten, womit mit einem Schlag ein absolutes Grundgesetz der Physik komplett hinfällig wäre und einiges mehr. Dass alles jederzeit komplett anders erklärbar sein könnte, ist insofern als einzige Gewissheit hilfreich wie tröstlich. Dies wird hier nachdrücklich durch vielerlei interdisziplinäre Welterklärungsentwürfe von Laffoley nahegelegt, angenehmerweise ohne jeden sektiererischen Missionarseifer. Ich muss dann mal los zur Séance im Wissenschaftskolleg.


Texte zur Kunst Nr.79 / Sept. 2010

Im Zwielicht des Abstraktionsmoments:
Bilderdschungel als Suchmaschine

Bekannt wurde Cecily Brown mit einer Art Retro DeKooning - Malerei, in deren komplexem Fleckengespinst sich auch immer wieder mal erotische Figurenkonstellationen verbargen.
Ceciliy Brown repräsentiert vieles was an zeitgenössischer Malerei aktuell kritisiert wird. In ihrem Fall eher zu recht, des öfteren ansonsten auch zu unrecht. Zu Unrecht, weil durch einige wenige Namen Malerei ausschließlich mit einen dekadenten  Luxusartikelsegment identifiziert wird.
Diese Kritik ist leider selten sachlich interessiert. Vielmehr schnappt ab einem bestimmten Verkaufserfolg recht automatisiert der Kommerz-Vorwurf zu, häufig gepaart mit einem Statement zur überholten Medienlage von Malerei insgesamt. Man fragt sich, mit welchen toten Opas in Amerika da immer noch zu oft telefoniert wird.
Auch wenn mir ihre Arbeiten damals leider nicht bekannt waren, schien Browns Malerei bis zur Jahrhundertwende durchaus interessant zu sein. So wie Peter Doig mittels reanimierter Landschaftsmalerei zu Beginn der 90er überraschende Qualitäten aus einer sehr unerwarteten Genre-Ecke auftischen konnte oder auch anfangs John Currins haarscharf kalkulierte Salondekadenzpeinture gekonnt klassische Erwartungshaltungen an Malerei auskonterte, genauso war Browns Stil-Crossover von grenzwertiger Direktverwurstung echter Modernehelden mit real bildungsbürgerlichen Bravo-Sehnsüchten einfach ganz lustig. Wenn denn schon die ganze Faszination um überdimensional männliche Farbspitzer kein Ende nimmt, kann man auch mal direkt im Bild zeigen, wo es eigentlich herkommt.

Seit einigen Jahren hat sich ihr ehemals gewagter Historizismus tendenziell selbst nochmals akademisiert, aber da befindet sie sich in guter Gesellschaft mit Namen wie Peter Doig, Daniel Richter oder Neo Rauch. Und warum groß darüber lamentieren. Dass diese Arbeiten im Markt deutlich überbewertet sind, - was ihr (und anderen genauso) immer zu gönnen ist -, dürfte nicht ganz unwahrscheinlich sein.

Allzu verklärte historische Übergrößen auf ein paar alte abgelegte Socken zurechtstutzen, die man sich bei Bedarf auch mal  überstreifen kann, ist nach wie vor legitim. Das mochten viele gerne und Brown gilt immer noch als eine Art „everbody´s darling“ in einem hochpreisigen Malereimarktsegment. Sex sells und so fort... Die empörten Gegenargumente waren und sind leider alle so langweilig, dass ich zwischendurch auch mit ihren Arbeiten sympathisiert habe. Warum auch nicht solche Grundreflexe im Tafelbildgewerbe für sich einspannen? Ob man jetzt Schwarz als retinalen Schlüsselreiz benutzt oder ein paar nackte Hautstellen. Womöglich waren solche Kopulationsköder schlicht auch gemeint als eine Art Kontemplationsbelohnung oder weiter als Belustigung über nahezu religiös überprojizierte Betrachtungsweisen der klassischen Moderne generell gemeint.

Neben den häufig zu entdeckenden Pärchen beim Beischlaf wurde ihrem fleckenhaften Farbauftrag mitunter selbst eine erotisierende Wirkung zugeschrieben, so als könnte ihr hiebhaft kleinteiliger Pinselauftrag den Bildträger stellenweise selbst in erogene Farbzonen verwandeln. Schöne Idee, solche Körperfunktionen direkt auszulagern. Ich konnte leider nie ausmachen, an welchen Stellen die vermeintlich befruchtete Leinwand gerade ihrem Höhepunkt näher kam.

Bis Anfang der Nuller Jahre hatten disparate Stilschmuggeleien tatsächlich noch einen frischen Beigeschmack von hilfreicher Übertretung. Insbesondere in Abgrenzung gegenüber dem Zaubermittel Appropriation der amerikanischen 80er Jahre Kunst. Eine jeweilige Gesamtkaperung eines signifikanten Schlüsselwerks beinhaltete eben auch deren unversehrte Komplettübernahme. Auch wenn die Autorenschaft umdeklariert bzw. verdoppelt wird, stand ein solch ganzheitliche Aneignung letztlich auch für einen sehr ehrfürchtigen Umgang mit den kunsthistorischen Ressourcen. In dem Sinne, dass man sich nicht anmaßte, sich einfach die besten Filetstückchen aus einem markanten Schlüsselwerk heraus zu klauben. Insofern stehen viele diffuse hybride Stilmixturen der neunziger Jahre auch gerade in der Malerei für eine produktive Anverwandlung mehrerer kunsthistorischer Quellen gleichzeitig. Wie soll man entscheidend vorankommen, wenn immer nur ein einzelnes Kunstwerk einverleibt wird?

Verspricht man sich etwas von dem Modell Kunstgeschichte als Open Source und/oder gemeinnütziger Toolbox, ist es naheliegend verschiedenste Quellen synergetisch zusammenzuführen. Matthew Richie beschreibt solche Umstände bzw. die Situation in New York Anfang der 90er leicht evolutionsmäßig noch mal von einer anderen Warte: „Wir wurden sozusagen zwangsernährt (oder mit Input vollgepfropft), und alles, was wir jetzt tun, ist einfach verdauen.“1 Appropriation, semi-wissenschaftliche Referenzkataloge und Endgames a la Peter Halley oder Robert Longo waren vorläufig unbenutzbar geworden als Reaktion auf eine typisch überpräsente Vorgängergeneration.

Nackigkeiten sind aus Cecily Browns Bildern jetzt verschwunden. Jedenfalls in der vergangenen Ausstellung bei Contemporary Fine Arts im Frühsommer. Übrig bleiben anscheinend abstrakt vielschichtige Fleckenteppiche oder ab und zu mal großzügig pinselgehuschte Figuren. Frauen auf dem Boden, den Kopf perspektivisch sehr dicht an den Betrachter herangerückt. Sie bedient somit figurative und abstrakte Ansätze parallel, wobei letztere auch immer noch stark einer abstrahierten Landschaftlichkeit verhaftet sind. Liest man die Bildtitel wie „Thriller“ oder „ Lady with little dog“, werden Erkennungsreste doch etwas offensichtlicher. Es geht anscheinend nicht nur um eine brisante Akkumulation verschieden skalierter Pinselstriche mit Schmackes, die eher nur sich selbst repräsentieren. Der Abstraktionsgrad wird hier in Kombination mit einer diffusen Bildkomplexität stückchenweise hoch- und runtergepegelt. Jetzt erkennst du noch, was ich eigentlich gemalt habe und jetzt nicht mehr... Wer sich etwas anstrengt, kann darin auch Referenzen zu kryptografischen Systemen erkennen. Erstens Bilder als Suchmaschine, die beherzt in ihrem eigenem Matsch baden gehen und zweitens verschiedene Grade einer Chiffrierung von Gegenständlichkeiten. Das funktioniert in so einer Formulierung fast besser als auf den Bildern selbst. Solange da nicht auch ein Decoder mitgeliefert wird.

1 Cecily Brown, Painting Epiphany, Flashart, Reprint 2000 - 1998

 

Über: Wolfgang Tillmans „Lighter“, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin
21.03 – 24.08.2008

Für: starship magazine Nr. 11 / Sommer 2008

Gegenlicht ohne Frühstück

Wer den perfekten Dokumentationsseifer der Becherschule nie wirklich mochte, war immer dankbar für so eine leichtfüßige Gegenposition wie die eines Wolfgang Tillmans. Man muss die Pixel nicht einzeln zurechtfeilen, damit es scharf wird. Es fällt Dir zu, wenn Du es erst mal fallen lässt und dann auch noch fangen kannst. Meister der leichten Unschärfen könnte man ihn auch nennen. Er beherrscht wie wenige das Balancieren von verschiedenen Schärfegraden im Bildraum, um eine Atmosphäre des leibhaftigen Blickmoments ins Betrachterauge rüberzuschnipsen.
Besonders für Andreas Gursky und Thomas Struth gilt natürlich, dass sie das (nackt) dokumentarische sehr gekonnt für die heutige neureiche Repräsentationskultur optimiert haben. Nebenbei bemerkt sind Gurskys Fotos überhaupt nicht so superscharf, wie gemeinhin gern (vielleicht auch nur von mir) angenommen wird. Dazu genügt ein einziger Blick auf ein Foto im HDTV-Format.

Wolfgang Tilmans Arbeiten standen bisher für ein bestimmtes Lebensgefühl, das man gut aus den neunziger Jahren zu kennen glaubt. Das ist inzwischen mindestens fünfzehn Jahre her. Seit einigen Jahren tauchen vermehrt und überraschend rein abstrakte Bilder in seinen Ausstellungen auf. Echte Zeitgeistkünstler gibt es ja eher nicht mehr. Wenn dann heißt das jetzt dated. Entweder weil die Kapitalschwemme diese zyklischen Ups & Downs erübrigt hat oder vieles von einer historisierten Startrampe ausgeht. Oder Zeitgeistkunst war einfach ein Nachhall der verebbenden Avantgardezyklen.

Auch wer damals nicht an die hundert Raves genossen hat, springt wie frisch weggetanzt sofort wieder in dieses Zeitgefühl hinein, wenn man den Raum mit der rekonstruierten Hängung des Turner-Preisshow von 2000 in den Rieckhallen betritt. Das ist schon mal eine erstaunliche Qualität seiner Bilderwelt, wie man im Überblick im Hamburger Bahnhof erleben konnte. Es ist Tillmans zehnte große Übersichtshow innerhalb der letzten sechs Jahre. Man merkt auf angenehme Art, dass er seine gesamtes Oeuvre schon einige Male komplett durcharrangiert hat. Insgesamt ist die Ausstellung eine der wenigen rundum gelungenen seit es den Hamburger Bahnhof als zeitgenössische Spielstätte gibt.

Unendliche Nächte, die auch einfach noch tagelang weitergehen und ein ewig versonnener Blick auf ein wirklich schönes kleines Körperdetail aus Menschenfleisch, sehr gekonnt und leichfüßig im Sucher mit anmutig banalem Drumherum eingefangen. Nicht dass die Haut jetzt wichtiger wäre als andere Umgebungsmaterialen im Bild. Ein scheinbar interesseloses Wohlgefallen im stets neugierigen Sucherblick scheint unabdingbare Prämisse zu sein. Tillmans nennt das den unpriveligierten Blick. Äquivalenz ist weiteres ausschlaggebendes Stichwort. Seine thematische Alloverkompetenz kann alles leichthin ins rechte Licht rücken. Vor meiner Linse ist alles gleich. Wer alles bedienen kann, hat automatisch mit Beliebigkeit zu kämpfen. Natürlich ist es interessant, die Pyramiden wie eine übermüdete Clublocation abzulichten. Es ist eher der Moment, der von selbst im richtigen Augenblick abdrückt, ohne diesen wiederum als etwas extraordinäres zu zelebrieren. Ein Handschuh fällt runter, landet aufgrund irgendeiner Fügung wie etwas Ostwind in einer gekonnten Faltenwurfkonstellation und sieht eben einfach gut aus. Ohne jeden offensichtlichen Willen, Methode und Botschaftsgehabe. Dasselbe funktioniert auch mit einem Obdachlosen, der sich sehr ansprechend im Bildrechteck flachgelegt hat. Auch die Anti-Obdachlosen-Architekturelemente am Bildrand schauen da eher nur schmuck aus. Das mutmaßliche Können, dessen es zweifelsohne bedarf, tritt hier sehr weit zurück hinter den Autor und dem Bildmotiv, und der Betrachter hat es eher wieder im Rücken. Da macht es aber locker. Sameness ist eine anderes wesentliches Stichwort, mit der Tillmans seine Haltung erklärt. Gemeint ist eine Art Gegenkonzept zum Identitätsmodell des westlichen Individualismus. Alle und alles sind gleich, das ist unablässige Bedingung für eine bestimmte Art von Gemeinsamkeit. Für Tillmans waren in der Club- und Ausgehkultur der achtziger Jahre durchaus ernstzunehmende Tendenzen für kostbare egalitäre gesellschaftliche Momente zu erleben. Das versteht jeder, der gern lange genug ausgeht. Auch möglich, dass kollektive Euphorien hier auch einfach aufgrund einer bestimmten (verdrogten) chemischen Gleichschaltung so gut funktionieren.

Eigentlich ist das Stimmungskunst, wenn es nicht so abgetakelt klänge und darin schon wieder zuviel Absicht stecken würde. Oder es ist einfach die Erfindung des gechillten Blicks. Beteiligungslos aber mittendrin. Eben nicht der typische Fotografen-Zaungast auf Beutejagd. Und weil die Stimmungslage immer sympathisierend und unprätentiös ist, winkt etwas wie Anmut häufig leise lockend durch die Hintertür. Für Tillmans ist Verwundbarkeit oder Verletzlichkeit ein ausschlaggebender Impuls, das etwas oder jemand aufs Bild kommt. Selbst so ein Unding wie Unschuld blitzt manchmal auf.

Weiter gilt er als einer der ersten Künstler, die eine bestimmte Art Lifestyleglam vom hippen Printjournalismus in den Kunstbereich importiert hat. Gut, da gab es auch Nan Goldin, die einige Jahre vorher eine Art Rollenmodell des Autoren-Paparazzis etablieren konnte. Und Larry Clark hat eine Art produktiven Generationskonflikt voyeuristisch, aber durchaus sehr informativ inszeniert. Richard Billingham wäre auch eine Art Stilnachbar in puncto Unvermitteltheit, ansonsten aber zu authentisch und zynisch zugleich.
Ein verbreitetes Missverständnis hält ihn für einen Printfotografen, der zur Kunst übergewechselt ist. Der Umweg über Öffentlichkeitsformate wie Spex und Face waren für ihn einfach auch Zugang zu anderen breiteren Öffentlichkeiten, zumal Anfang der Neunziger andere Distributionswege für Kunst ein großes Thema waren und der gehobene Kunstmarkt damals sich eher nur im fünfstelligen Bereich abspielte. Die parallele Bespielung unterschiedlicher kultureller Öffentlichkeiten hat jedoch nachgelassen. Jetzt ist es nur noch Kunst oder wirklich Kunst geworden.

„Monochrome Bilder kann man nicht so leicht konsumieren. Außerdem fotografiere ich nicht, um zu verstehen, sondern das, was ich verstanden habe.“ Für einen Fotografen mag das vielleicht so sein. Wäre interessant zu wissen, wie das Verstehen vorher abläuft. Man braucht bei Monochromie noch nicht mal anfangen mit konsumieren, würde andere sagen, weil sich hier die Wahrnehmung so schnell abwenden kann wie bei einem unterentwickelten Verkehrszeichen.

Trotzdem sind die Tillmans abstrakte Fotos interessanter, als das jetzt klingen mag. Für ihn besteht generell kein Unterschied zwischen diesen beiden Bildgattungen. Auch leicht komisch oder zu naheliegend? Sehr schön anzuschauen sind sie sowieso. Ah, schon wieder rekapitulierte Malereigeschichte, ist der erste Impuls, hört das denn nie auf, aber ziemlich überraschend aus dieser Ecke, und weiter, immerhin wenigstens abstrakt und außerdem wird Kunstgeschichte hier diskursiv im Fotopapier gespiegelt. Das ist dann wohl der entscheidende Drehmoment. Im Prinzip bin ich immer dankbar für wiederbeatmete Malereigeschichte. In den letzten Jahren gab es erheblich öderes Surfen auf solch vermeintlichen Sargdeckeln. Das er eine jederzeit abstrakte Bildauffassung benutzt, sieht man an Fotos wie „Himmelblau“ oder „Monument“, wo Positiv- und Negativbildraum äußerst präzise ausgewuchtet hin- und herkippeln.

Alles auf Fotopapier ist wie aus einem Guss. Erinnert man sich an eine moderne Maxime des möglichst ferngesteuerten Farbauftrags, kommt das einer verbessertem Lösung recht nahe. Es gibt keine Trennung zwischen Bildträger und Bildschicht. Die lichtempfindliche Emulsion wirkt wie eingeschweißt, was einer gesteigerten Objekthaftigkeit zugute kommt. Diese Objektmomente neben der beschriebenen Materialität sind die interessanteren Faktoren in Tillmans abstrakter Bildwelt. Diese ohnehin bestehend aus vier unterschiedlichen Serienformaten, wirkt bei genauerer Betrachtung schnell weit weniger rein abstrakt. Die „Paper drops“ sind eine sehr gelungene Reminesenz an die abstrahierende Bauhausfotografie. Das „Freischwimmer“-Format gefällt mir am besten wegen rätselhafter Herstellungsweise und es erinnert schick verschwörerisch an bakteriologischen Bildbefall.
Die skulpturalen Knickmomente in der „Lighter“-Serie wirken dagegen als Einzelstücke doch leicht nach Fotografen-Kreativität. Ja, der Tischler macht selbst auch sein Kaugummi aus Holz. Bei den nahezu monochromen Arbeiten – manchmal ein äußerst zarter Stilmix aus Mark Rothko und Ellsworth Kelly - wird das Grundproblem am deutlichsten: Das Bildvokabular selbst ist hinlänglich bekannt, was aber nicht groß weiter stört.

 

about: Zbigniev Rogalski - Catalogue Kunstverein Göttingen, Germany

In the Sweatwater of the Pictorial Document

Sometimes the most interesting stories can be told with a single image. There are some directors, and they’re not the worst, who structure an entire film around five or six key shots. Zbigniev Rogalski has a knack of finding such single motifs with outreach. They are visual plots that require neither lead-in nor closure, but, with a signification technology of their own, they disrupt the orderly functioning of the individual’s receptors like a mirage or an electronic flash. Many of his pictures create in the mind’s eye of the viewer a suggestible imaginative space for him to conjecture what might happen before or after on the temporal axis of the picture. In this connection ‘momentum’ is a very respectable concept, which instantly raises any amount of art-historical dust, but here it fits very well. An egg falls from heaven and knows not whither.

As recently as a decade ago narratives in art, especially in painting were as inconceivable as a German Pope or class struggle rhetoric from the SPD (German Social-Democratic Party). An astounding shift in acceptability has taken place here, and it is only partly explicable in terms of fashion cycles. Narrative was equated with illustrative, and this in turn led to a serious acceptability deficit. The present consensual enjoyment of narrative can only be explained, if at all, with convoluted and multi-layered explications. One could try saying that with the vast amount of video art in the style of the author-film in the Nineties (Aija-Liisa Ahtila, Pipilotti Rist, Rodney Graham, Stan Douglas...) personal narrative styles, coupled with media-formats that had not yet been worked to death, began to unfold their conventional, but refreshingly direct potential in an attractive way. By this roundabout route, old and venerable surfaces could be revamped and brought into play again with fresh narrative techniques.

In the meantime, possibly erroneous assessments of the Western avant-garde (and its politics) continue to be bandied about quite openly. Clement Greenberg’s maxim ‘Stretched canvas only possible as an object in itself’ is one example of an individual dynamic that constantly radicalises itself. As a consequence of Greenberg’s overvalued requirements, all pictures definitively became/are becoming objects. So one media format was liquidated by diktat and ascribed and allotted to another artistic genre. Painting that has been forcibly amputated and deprived of any illusionist power of suggestion in this way, can in the end only happen as flat sculpture. It is as if the EU were to decree that cars could only be used as bookends. As a ban on figurative representation, it was in no way less severe than Islam’s hatred of the mimetic image. So it seems appropriate at this time for the practice of image-making that has been discredited in this fashion to be given another chance to test its possible potential once more. Apart from this, certain initially isolated positions whose work was intentionally ambivalent, but had illustrative moments, people like Raymond Pettison, Marlene Dumas or William Kentridge, may perhaps have been definitive forerunners.

One of Zbigniev Rogalski’s very accurate pictorial ideas (Series ‘Projects’ 2003) shows a neat dwelling-house whose roof is crowned with an almighty tank-gun, and the perfect base which this style of architecture provides for a field gun suddenly reveals the private bunker-mentality of people who own this type of home. But one almost wonders why nobody had previously hit on this idea of re-constructing a private home in the redneck belt 1:1 as a mounting for a field gun in this way.

In another a surprising motif (Series ‘Horses’, 2000) a horse, minus one front leg, jumps out through the picture at a brisk gallop, an equestrian feat that no three-legged beast could ever perform. Here a dry moment of emotion is combined with confusion and bafflement at the surprising visual experience. Or a very plausibly depicted person , plunges headlong into his living room carpet like a diver in a swimming pool, and this provides an example of the slightly aberrant shifts and arresting moments which Rogalski’s pictures discover in familiar private spaces. Ostensibly everyday scenes are undermined by unreal touches of the kind we know from the theatre of the absurd, or from Surrealism. Of course any vacuum cleaner salesman's visit becomes a cultural experience once it is described, but the thing that ultimately matters is to have a really surprising pictorial idea. If one looks around in the rest of the picture market, this resource is not exactly available in abundance. This says much for the quality of Rogalski’s pictorial ideas and the way he represents them in painting.

From time to time subtle topical political references come into play: a couple sit sunk in concentration on their living room carpet, busily engaged in manufacturing hand-painted hundred euro notes (‘Euro’, 2003). The ostensibly simple, serene motif alludes to the allegedly hectic activity in Polish forging circles that was probably triggered by the introduction of the euro as the new currency. Or it duplicates the West European cliché of the crude, acquisitive eastern European in premature turbo-capitalist intoxication, who is not even competent enough to steal or build his own colour copier. At the same time the picture can be read as an indirect allegory, implying that painting can occasionally function even better than currency, and that there are no banknotes in remotely large enough denominations to match the escalating price spirals in painting.

The treatment of these pictorial motifs trips nimbly towards the gaze, with astonishing fleetness of foot. There is a realism here which derives trenchancy from a light and spirited simplicity. Although photographic images provide the point of departure for his paintings, the finished pictures avoid the finicky real detail, on which photo-realist painters lavish such skill and effort – ultimately to tiresome effect. His narrative moments are in their way much too interesting for formal painterly problems. This does not mean that there is not a considerable measure of skill and technique behind these pictures. You don't look under the bonnet of a fast car when it is cornering at speed.

He has been producing pictures in the form of (open) series for a good five years. This kind of categorisation is always problematic, but it does help to establish an overview of sorts. Characteristic basic motifs like the tank-house pictures, house-cannons, or the reflective surfaces, or the pictures on the theme ‘Painters painting paintings’ which are dealt with below, all exist in various different versions, and a series is sometimes taken up again after a long interval. Apart from its commercial advantages, this serial character distances itself from the cliché of the ultimate single picture.

The best known of Zbigniev Rogalski’s pictures shows a bathroom mirror sweating with condensation (‘Björk’, 2003) and in it a half-naked figure indulges in a spot of armpit-care, painted in a blurred, rough style. The name Björk seems to have been written with a finger on the steamed-up surface of the mirror. A sinister reciprocal relationship develops between the blurred figure and the world-famous name of the Icelandic pop star. Was Björk by some chance once actually in this nondescript bathroom, or is the presumably male figure a great fan of the musician? A further series of pictures operates with name-dropping of this kind as if written in paint on the picture surface. When these names or words appear, as if written on a dew-damp pane of glass, a very subtle trompe l’oeil effect occurs, in which the actual image that lies behind it is materialised again, differently, as another layer. This functions beautifully thanks to Rogalski’s exquisitely simple and skilful brushwork. Subliminally an association with real condensation or morning dew is slipped into the viewer's perception, so that the impression of an evaporating pictorial document persists, where there is presumably also an imminent possibility that the morning dew or shower steam on the surface of the window-pane or mirror-surface will dry off. This seemingly insignificant little trick is described here in such elaborate detail because it works like a charm. Other pictures with writing inscribed on the blurred painted surface show the names of well-known philosophers or simply names for states, such as ‘jealousy’ or ‘tuning’. In these cases the background is developed in a more diffuse fashion.

‘Painter at his daily routine’ could be the title of another of Rogalski’s picture series. Here the painter depicts his own body in contorted positions, as, with great concentration, he finishes a picture in his own abstract-geometric, painterly vocabulary. The decisive ploy that he uses in these pictures is frequently their unusual perspective. The viewer looks from behind an imaginary sheet of glass at what is happening in the picture, and that also includes its creator. It is like a live transmission on pause. There is a famous documentary film about Picasso, in which a camera placed behind a sheet of glass documents the genius at work in real time on one of his standard pieces. There may possibly be a real information deficit here, which these pictures both expose and cover, when you consider how many dedicated art-lovers there must be, who almost never have the pleasure of seeing rear-views in close-up. The popularity of documentaries on ‘The Making of ...’ as a genre on DVD, is evidence of large viewer potential for another format in this area. Moreover these painted, documentary production snapshots from the everyday life of the painter also admirably complement the grand theme ‘painting about/through/out of painting’ from a different angle. This is definitively not the typical, formalistic regeneration of the modern masters’ styles, clothed in a fine differential look.

Translated by Hugh Rorrison, Edinburgh

 

aus:  Texte zur Kunst  2004
übe:r Werner Büttner

Eine der verbreitesten Krankheiten ist die Diagnose

"Ich leuchte höchstens nur, damit man sieht, wo's dunkel ist." 1

In den Radionachrichten kam die Meldung, in England seien in den sechziger Jahre ganze Landstriche komplett entmandelt worden. Heutzutage anscheinend nicht mehr, wenn das eine Meldung wert ist. Weiter war auch Rede von einer absurden Goldgewinnungsmethode, bei der durch Zyanidinjektionen ins Erdreich sich dort enthaltenenes Gold verflüssigt, worauf es dann durch Pflanzen wie Mais automatisch aufgenommen wird. Die Frage, wie man das Edelmetall dann aus Blätter rausbekommt, ist noch offen. Also klarer Fall von Problemverschiebung. Weiter haben Amerikaner den an 129ter Stelle meist besuchten Iraker verhaftet. Scheint ein ganz guter Werner Büttner-Tag im Radio zu sein, für den Fall, dass man tags zuvor in der Deichtorhallenausstellung des Künstlers dieses Namens gewesen ist.

Werner Büttner ist bekannt geworden im Verbund mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen als eine Art charmantes Bolle - Trio, das unterhaltsam und mit guter Unkunst im deutschsprachigen Raum gewieft Wirbel machen konnte. Mit intelligentem schnoddrigen Räuberhotzenplotz-Charme wie “Ich nehme auch Lob von der falschen Seite” oder "Die dritte Welt drängt an den Stammtisch." Auch wenn solcherart Rankings immer unangenehm an Hühnerleiterrennen erinnern, ist einer der drei inzwischen einige Jahre tot, der zweite wird meines Erachtens überbewertet und ist stramm in den Staatsmalerfußstapfen unterwegs, der dritte im Bunde wird vergleichsweise etwas unterdotiert gehandelt.
Mit der Büttner-Ausstellung “Verkehrte Welt” in den Deichtorhallen schließt sich ein zwanzigjähriger (Ausstellungs)-Kreis: 1984 kuratierte Zdenek Felix die damals einschneidende Ausstellung “Wahrheit ist Arbeit” im Essener Folkwang-Museum mit den drei erwähnten Künstlern. Mit der besagten Büttner-Ausstellung jetzt hat der scheidende Deichtorhallenchef Felix jeweils allen dreien dort eine gebührende Retrospektive arrangiert.
Robert Fleck als sein Nachfolger verspricht eine interessante Personalentscheidung zu sein, - er stand Mitte der neunziger Jahre als österreichischer Bundeskurator für eine diskursfreudige Förderungspolitik -, auch wenn er jetzt mit einem künftig arg abgespecktes Ausstellungsbudget die kleinere Deichtorhalle bespielen muss.

Agitiert wurde nicht nur von den dreien gegen eine allseits verbreitete dröge erhabene Schmidt-Kohl-BRD-Muffigkeit, die nicht nur in der Kunstwelt mit ihren befriedeten Konsensapparat. tumb für einen künftig beträchtlichen Reformstau vor sich stagnierte. Das waren die Zeiten Ende der 70er bis Mitte 80er, als Zynismus und Humor auch noch sehr gut befreundet sein konnten. Auf einer Tagung über DDR-Kunst diesen Sommer wurde diese Art BRD-Kunst als “postfaschistische Ironie” einsortiert. Wie ging noch mal faschistische Ironie? Die Qualität dieser mutigen Gesellen konnte zeitweilig aus jedem schlechten Witz ein gerissenes Bonmot mit großer gesellschaftspolitischer Brennweite machen. Gute Sprüche als Qualifikationsmerkmal. Im schlechteren Fall dümpelten die flach gehaltenen Pointen im Eckkneipen- und Gassenauaniveau umher. Eine subtile Tendenz zum Edutainment war immer latent enthalten, wenn auch gut versteckt. Ihr Ansatz war ein schnelllebiges Arbeiten, auch boulevardjournalistisch mit kurzfristigen tagespolitischen Bezügen und knuffigen kunstimmanenten Antimomenten. Sie selbst nannten das Ende der 70er “Feudeltonhaltung” Tja, wenn die Welt gequält wird oder quält, müssen die Wörter auch dran glauben, wie hier eine gestreßte Assoziationskette mit Feuilleton zeigt. Ein Feindbild war damals nicht schwer auszumachen: es ging zackbumm dem Seriösen und Erhabenen in der Opi- & Muttikunst an den Kragen. Das erforderliche Instrumentarium setzte sich aus simpler Schlechtigkeit, Charme und Aggressivität zusammen. Fertig war die erfolgreiche Burschikunst. Einem wichtigen Arbeitsleitsatz zufolge, ging es darum, das Medium gezielt gegen seine eigenen Codes einzusetzen. Ein Wildschwein als Mikrowelle zu benutzen und so eben.
Das verbreitete Missverständnis, diese Art Kunst sei als Direktumsetzung des Punkprinzips (“Mit drei Griffen zum wichtigsten Bild der Zeit”) entstanden, klärt gut ein Beitrag im Katalog der Berliner 80er-Jahre-Ausstellung “Lieber zuviel als zu wenig” auf. Auch wenn sich viele dieser Protagonisten im Kreuzberger Punk-Milieu tummelten, waren insbesondere die Machwerke Büttners und Oehlens immer auch entsprechend gut getarnt hochcodiert, so dass sich vermeintliche Kennerschaft und Mitwisser verschwörerisch bilden konnten.
Wenn man Mitte/Ende der 80er Jahre Kunst studierte und an Aufmüpfigkeit interessiert war, kam man so um zwei Dinge kaum herum: Zum einen war da die sich voll entfaltende Kunstmarktkrise, zum anderen gab es eben diese munteren Bad Guys im Kunstbetrieb, die auch bei intensiver kritischer Beäugung ein, zwei Jahre lang einfach nicht schlechter werden wollten. Vom Neid- und Respektfaktor her war das ähnlich, wie man sich einfach kaum mit seinem Krempel zu Polke an der Kunsthochschule getraut hat, den man selbst so studentenscheu fabriziert bzw. für zu nichtig gehalten hat.

Werner Büttner kam zur Kunst in etwa wie die Jungfrau zum Kinde. Einer dieser Anekdoten zufolge soll Albert Oehlen gesagt haben, der Werner kann nicht zeichnen. Woraufhin dieser natürlich angespornt wie nix Zeichnungen gemacht hat. Von denen wiederum war der Albert so angetan, dass er die sofort kaufen musste. Da oder etwas später reifte sein Entschluss, Künstler zu werden anstatt Jurist oder Sozialfall.
Im Katalog schwirrt nach wie vor eine Menge widerständiges Vokabular umher. “Partisan” als künstlerisches Rollenmodell kommt vor, öfters auch “kultureller Ungehorsam” durch gezieltes Nichtkönnen (“Da malt die Notwehr”) oder “Bin ich auch genug verunfallt?”, als Resümeefrage über die eigene Arbeit vergangener Jahre. Die Katalogtexte stammen fast allesamt von kompetenten Freunden (Harald Falckenberg, Friedrich W. Heubach, Fritz W. Kramer) des Milieus, was insgesamt nach etwas vielen Heimspielen schmeckt.
Heubach schreibt überraschenderweise Büttners Werk (neben Hubert Kiecols) die Wiedereinführung des Rührungsmoments in die 80er Jahre Kunst zu. Z.B. anhand gemalter Kaspar-Hauser-Enten, die blind einer Attrappe folgen oder anhand Bildtiteln wie "Harmloser Versuch mit einem Pferd". Dass Büttner selbst da andere kulturhistorische Maßstäbe hat, wird auch deutlich: "Irgendwann mussten wir in den achtziger Jahren feststellen, dass wir Leute wie Harald Schmidt an die Macht gebracht hatten, und wir uns jetzt etwas Neues einfallen lassen müssten." So ein Statement zur eigenen feuilletonistischen Langzeitwirkung. Die eigene weltpolitische Hellsichtigkeit in der Kunstproduktion kommt auch nicht zu kurz, wenn er sein bekanntes Bild der "Badenden Russen" von 1982 in direkten Bezug zum Zusammenbruch des Sowjetimperiums setzt. Eine lustige Erklärung für den unwiederbringlichen Systemzerfall sieht er in dem goldig-naiven Versuch Gorbatschows 1985 in der Sowjetunion, Alkohol verbieten zu lassen. In Deutschland müsste man einfach nur Autos verbieten, und es gebe binnen Stunden einen Flashmob, der sich gewaschen hat.
Eine detaillierte formale Betrachtung der Bildwelt Büttners erübrigt sich ein wenig von selbst, wenn dieser seinen eigenen Macharten und Herstellungsweisen so wenig Beachtung und Respekt schenkt, wie auf der Rückseite des Katalogs kokett klargemacht wird “Damals wie heute nahm und nehme ich die Malerei so ernst wie mein Kochgeschirr oder mein Auto.” Vielleicht nimmt er alles auch einfach zu ernst. In der Ausstellung sehen seine Bilder der achtziger Jahre nach wie vor erfrischend gut aus, was man bei anderen Zeitgenossen, die jetzt wieder zyklisch bedingt in Rückblicksausstellungen zu sehen waren, nicht immer so eindeutig sagen möchte. Also ein unterhaltsamer Zeitzeuge mit brauchbaren Halbwertzeiten. Bei seiner aktuellen Produktion, die sich zunehmend auf geplottete Collagen konzentriert, wäre ich mir da nicht so sicher. Seine Einschätzung hierbei handele es sich um eine Art Befreiung sogenannten gewerblichen Bildmülls für bessere Zwecke, wird dann wieder getragen von einer letztlich moralisch gediegenen Attitüde, das visuelle Handling der Werberwelt sei so strunzdoof wie kontaminierend; es könne aber problemlos im Kunstsystem durch heilende Künstlerhand zur Genesung gebracht werden; das manifestiert sich jedoch auf diesen Bildoberflächen nicht besonders deutlich. Wenn hier vermeintlich Kunst als Besserungsgewalt für kommerziell geschundene Visuals eingesetzt wird, steht das auch eher im Widerspruch zu seinem sonstigen „Bilderdienst“ beim Malen und Zeichnen (so Büttners eigene Arbeitsplatzbeschreibung), der mittels vermeintlichem Nichtkönnen und Nichternstnehmen die nach oben und unten offene Bildwertskala angenehm bereichert hat.

1 Werner Büttner im Interview mit F.W. Heubach aus: "Werner Büttner", Taschen 2003
Alle weiteren Zitate ebenso dieser Publikation entnommen.

 

aus:  Texte zur Kunst / NR.45  2002

Geber- und Nehmerkulturen in neuem Licht?

Man kann der Einfachheit halber in der Welt der Ausstellungsmacherei zwischen revueartigen Ansätzen, die kuratorisch eher Standard sind, und jenen unterscheiden, die dem Regietheater näher stehen. Also auch hier bekommt man alles prima zwischen Info- und Edutainment wegsortiert. Im ersteren Fall handelt es sich meist um bedeutungsoffene Themenshows, die Themen wie geschmacksgestärkte Appetizer benutzten, um aktualistische Hotspots mit plakativ Anverwandtem sowie mehr oder weniger Bezug anzureichern. Hier stellt sich bei näherer Betrachtung eher immer ein schales Gefühl wie beim Besuch toter Hyperlinks ein.

Die Ausstellung "New Heimat" im Frankfurter Kunstverein agiert mit Thesenapparat. Man kann die These der Ausstellung heikel bis kontrovers finden, aber sie formuliert ein Behauptungsangebot, von dem aus man gegebenenfalls gut weiter diskutieren kann. Insofern unterscheidet sie sich wohltuend von oben genannten blümeranten Auswahlverfahren, bzw. Ausstellungsmacherei wird hier stärker auch als Autorenprinzip benutzt.
Thema der Ausstellung ist Globalisierung, im engeren Sinn bezogen auf kulturelle Import-Exportfr(kl)agen zwischen erster und dritter Welt. Die Ausstellung ist eine Koproduktion mit Ethnologen des Frankfurter Frobenius-Instituts. Ein zeitgemäßes Selbstverständnis der Ethnologie dokumentiert sich durch weitmöglichsten Verzicht auf Begrifflichkeiten wie "Ethnologie" - so wenigstens wird es aus einigen der ethnologischen Katalogtexte deutlich.

Die These der Ausstellung "New Heimat" besagt, die vermeintlich vielbeschworene McDonaldisierung der Welt in dieser gemutmaßten Totalität findet so nicht statt. Vielmehr kommt es weltweit zu melangeartigen Zwischenlösungen, wie man sie vermeintlich entfernt im eigenen lokalen Kontext vom westeuropäischen Informel her oder auch beim schwäbischen HipHop kennt. Hierbei steht außer Frage, dass die zunehmende Dominanz westlicher Kultur bereits unzählige Lokalkulturen auf dem Gewissen hat. Unabhängig davon besteht die Ausstellungskonzeption auf einer Sondierung dieser eben auch wechselseitigen Aneignungen. Auch wenn die postkoloniale Einflussnahme einseitig und ungefragt vor sich geht, haben sich mit der Globalisierung (seit sie so hei&s zlig;t) auf Seiten der Globalisierungsempfänger hinsichtlich ihres Indoktrinations-Handlings neue Dimensionen ergeben, die es unbedingt zu beobachten lohnt. Selbst wenn alle verfügbaren westlichen Zivilisationstools mit einem Schlag in einer Wüstenstadt verfügbar wären, ist dort nach wie vor der lokale Kontext maßgeblich, der beispielsweise aus fehlenden Glasfaserkabeln oder Buckelpisten besteht. Dass dieser Lokalkontext seitens der sogenannten Nehmerkultur wahrscheinlich selbst bei Continental-Winterreifen mit Stausensoren zu einer überraschenden Anwendungspraxis führen würde, ist eine Prämisse zur Ausstellung. Auch wenn man unwiderruflich Opfer ist, kommt es sehr darauf an, was man aus sich als "Nehmerkultur" macht. Die erwähnte Ausstellungsthese wird im einführenden Katalogtext nahezu als Gegenposition herausgearbeitet. Man kann sich auch fragen, ob diese globalkulturellen Mischformen nicht vielmehr ein Zwischenstadium auf dem Weg zum fortschreitenden Unicode sind.

Ausgangspunkt der Ausstellung sind Exponate, die die Um- und Weiterverarbeitung von westlichen Kulturgütern in nichtwestliche Kulturformate signifikant in sich bündeln. Es handelt sich dabei um "Funde" der beteiligten Ethnologen bei zahlreichen Feldforschungen. Im Katalog ist von "lokalen Hervorbringungen" die Rede. Diese werden wiederum konterkarikiert mit aktueller "Westkunst", die mutmaßlich Kulturtransferfragen thematisch oder biographisch beinhaltet. Es geht nicht um Umwertung dieser Artefakte in Richtung Kunst oder darum spätkapitalistische Kunst zu ethnologisieren, auch wenn das z.B. bei Haim Steinbach vom Fetischaspekt her gut funktioniert. Eher war den Organisatoren vorab die Unmöglichkeit bewusst, die "Fundstücke" ihrer Feldforschung wie auch immer angemessen in einer hessischen Metropole zu präsentieren. Diesem Dilemma wurde versucht, mit bewusster Deplatzierung (im Sinne kontrastreicher Inszenierungsmomente) zu begegnen. Also eher absurdes Regietheater.

In den sehr verschiedenen "Bastardisierungen" sind die Icons/Insignien des westlichen Kulturimperialismus überaus präsent, sie werden jedoch jeweils unterschiedlich in den jeweils vorherrschenden Regionalkontext eingearbeitet. Es gibt möglicherweise noch nicht an jedem Punkt dieses Planeten Coca Cola, und wenn doch, schmeckt sie nicht überall gleich. Donald Duck ist auch in Borneo auf öffentlichen Wandbildern, z.B. auf Schaufensterrollläden oft vertreten. Seine Figuration wird jedoch in die regionaltypische Landschaftsmalereien eingebettet. Oder es werden in Bali Harley-Davidson-Motorräder von Korbflechtern aus Rattan relativ detailgetreu 1:1 nachgebildet. Die potentiellen Kunden dieses eher mutierten Nippes sind wiederum aber ausschließlich auf der Insel lebende Erstweltflüchtige. Im Candomblé, einer afrobrasilianischen Religion, wird in der postmodernen Ritualversion anstelle von blutigen Hühnchen ein Hühnerbrühwürfel in die Opferschale getan, und Opfergaben werden statt bei offenem Feuer in der Mikrowelle zubereitet. Das beliebteste Gastgeschenk eines Ethnologen für seinen Gastgeber in Bali, nach zahlreichen missachteten Fehlversuchen, waren bundesdeutsche Sägeblätter einer Stichsäge, die sehr aufwendig in Metallsporen umgeschliffen werden, und so zum ultimativen Wettkampfvorteil beim prestigeträchtigen Hahnenkampf werden. Eine spielerische Version der Aneignung von westlichen Statussymbolen wird beim Nachbau von Daimler-Chrysler-Autos als Schlafzimmerbetten für den afrikanischen Mittelstand praktiziert.

Die Ausstellung ist vielteilig und liebe- bis geschmackvoll arrangiert. Auch beim zweiten Anschauen weiß man an vielen Stellen immer noch nicht, wie man das eigentlich zusammenbekommen soll - aufgrund mehrerer fehlender kultureller Brücken, die dort für immer fehlen werden - bis man versteht, dass es genau darum nicht geht. Insofern funktioniert die Platzierung der Exponate vielleicht mit präzise gesetzten Assoziationslücken. Weiter korrespondiert diese Art Arrangement mit der Präsentationstechnik von Opfergaben in der schon erwähnten Religion Candomblé, die stark auf Displacement setzt. Diese als "Valorisierung" bezeichnete Präsentationstechnik bedient sich in ihrem realen Wirkungskreis ganz bewusst auch westlicher musealer und werbetechnischer Gadgets, um das darin enthaltene symbolische Kapital auch in die eigenen religiösen Inhalte einfließen zu lassen. Der Begriff " Valorisierung" macht in dieser Platzierzung eine hübsche Dreiecksgeschichte durch: Ursprünglich von Boris Gro ys ins Spiel gebracht, wird er hier von Ethnologen aufgegriffen und wieder der Kunst zugeführt. Auch wenn im Frankfurter Kunstverein zahlreiche platzierte Opfergaben und nachgestellte "Frauenräume" (einer Art wohnliches Arrangement bei muslimischen Kulturen Nordnigerias, dass auch den sozialen Status der betreffenden Frau dokumentiert, annähernd vergleichbar. mit der europäischen Braut-"Aussteuer", die hier jedoch auch nach Eheschließung ihre Relevanz behält) erst mal gnadenlos kitschig wirken, ermöglichen sie so auch einen entrückt distanzierten Blick auf stark vorhandene Fetischmomente bei zeitgenössischer Westkunst, falls das eine Überraschung ist.
"New Heimat" war nach "Schöne neue Welt" der zweite Teil einer kleinen Ausstellungsreihe des Frankfurter Kunstvereins, die sich mit verschiedenen Aspekten der Globalisierung befasst. Die abschließende Ausstellung " Non Places" sondiert u.a. aktuelle Umdefinitionen des vermeintlich öffentlichen Raumes auch im Sinne globaler Gleichschaltung.

"New Heimat", Frankfurter Kunstverein 15.10.2001 - 27.1.2001
("Non Places", Frankfurter Kunstverein 15.2.2001 - 28.4.2001)


Texte zur Kunst Nr.98 / Frühjahr 2015

        Kontemplation mit Gegenverkehr

 

Ja, der späte Rembrandt. Man traut sich kaum zu schreiben. Die Ausstellung im Rijksmuseum in Amsterdam zeigt gut vierzig entscheidende Gemälde aus den letzten achtzehn Schaffensjahren Rembrandts (1606-1669). Vier Schlüsselwerke mehr als in der Londoner National Gallery zuvor zu sehen waren, darunter auch das berühmte „Porträt of Jan Six“ (1654), dem letzten Förderer Rembrandts, das so gut wie nie die Privatsammlung verlassen durfte. In dieser Vollständigkeit wird Rembrandts Spätwerk in den nächsten Jahrzehnten sicher nicht mehr zu besichtigen sein. Komplettiert wird die Ausstellung von einer Vielzahl von Drucken, die den Ölbildern ebenbürtig auch in verschiedenen Druckversionen präsentiert werden. Rembrandts späte Bilder, aus heutiger Sicht nahezu hymnisch verehrt, waren zu ihrer Entstehungszeit keineswegs unumstritten. „Schmiererey“ und andere schnippische Abfälligkeiten wie „Schluderstil“ und „altersschwach“ sind als Reaktionen auf Rembrandts deutlich veränderten Malstil, der sich nach der „Nachtwache“ (1642) und insbesondere ab 1650 entwickelte, nicht selten gewesen. Die Gründe für seinen stark vereinfachten und wie losgelösten Farbgebrauch per Palettenmesser allein in den Schicksalsschlägen seines „ehrenhaften Konkurses“ und des Verlustes von Lebensgefährtin Hendrickje Stoffels und einzigem Sohn Titus zu suchen, wäre aber mit Sicherheit eine zu biografische Lesweise.

In seinem letzten Lebensabschnitt war Rembrandt deutlich aus der Mode gekommen. Der Zeitgeist bevorzugte inzwischen einen farbenfrohen antikisierenden Rubensstil. Ausgerechnet ein Werk seines Schülers Govert Flinck war es, das Rembrandts letzten großen Kommissionsauftrag für den Empfangssaal des Amsterdamer Rathauses (1660) ersetzen durfte, nachdem dieser wegen vermeintlich fragwürdiger Ausführung schnell wieder abgehängt worden war.

Die Ausstellung ist viel zu voll. Man kann schlecht gucken. Der Altersschnitt der Besucherschar kommt den entscheidenden späten Selbstportraits Rembrandts hier recht nahe. Rembrandt wurde nur gut sechzig Jahre alt, was im 17. Jahrhundert wahrscheinlich gefühlte hundert Lebensjahre waren. So alt sind die meisten Museumsbesucher dann doch nicht, obwohl ihr Bewegungstempo das nahe legt. Schuld an der langen Verweildauer vor den einzelnen Bildern sind wohl eher die zu lang getakteten Audioguides. Ohne diese akustischen Rollatoren bewegt sich hier kaum jemand durch die Ausstellung.

Eine allseits angebahnte Ehrfurcht, der man kaum entkommen kann, schlägt vor Ort in Amsterdam tatsächlich um in eine gnadenlose Ver- und Bewunderung darüber, wo solche Gesichter herkommen können. Seit diesen Bildern wird in und aus der Kunst zurückgeguckt. Kontemplation bekommt Gegenverkehr. Es schwirrt da eine nicht reale Präsenz aus diesen Konterfeis hervor, an deren Beschreibung schon ganz andere Satzkonstruktionen gescheitert sind. Es hat überhaupt nichts mit überirdisch / metaüberhyper zu tun, eher parairdisch vielleicht. Im Gesicht Rembrandts selbst ist nichts besonderes, woran das liegen könnte. Außer höchstens, dass das gemalte Bild selbst sehr genau darum wissen könnte, wie verblüffend es gemalt ist. Etwas teigig die Gesichtsmasse, Kartoffelnase, nicht unsympathisch als alter Mann, auch mit passabel verdauten Schicksalsschlägen gezeichnet, die einen sogenannten vollen Lebensweg leider auch entscheidend abrunden können.

Philip Guston, an den man sicher nicht sofort als Spezialisten für reale/naturalistische Malereiphänomene denkt, hat Rembrandts Qualitäten im Vergleich mit Anton van Dycks Portraits sehr treffend beschrieben: Bei letzteren wäre es seine technische Meisterschaft, die ultimative Präsenz einer menschlichen Figur wie aus dem Wachsfigurenkabinett erscheinen zu lassen. „Das Entscheidende am späten Rembrandt ist nicht, dass er befriedigend ist, im Gegenteil: Groß ist er da, wo er verstörend ist, und enttäuschend. Denn das, was er wirklich geschaffen hat, ist, jegliche Ebene zu eliminieren – alles, was zwischen dir und dem Bild steht. Einem van Dyck ist das nicht gelungen. Der sagt: Ich bin gar kein Gemälde, ich bin ein wirklicher Mensch.“1


Der ultimativen Präsenz in Rembrandts Selbstporträts, die eben nichts mit hochmeisterlicher Trickkiste zu tun haben brauchen, ist erklärungstechnisch nicht beizukommen. Allerhöchstens kommt seine verblüffende Lichtregie da noch in die Nähe von Budenzauber. Die Person dimmt sich immer sanft aus dem Dunkel heraus, ohne jeden Dramamoment. Wenn man mit heutiger Lichttechnik auch solch zart irrlichternde Lichtspots zaubern könnte, die völlig irregulär noch ihre eigenen Lebenszonen kreieren, wären sie auch in jedem Wohnzimmer im Einsatz. Die Lichtflecken haben zum Teil einen subtilen Bild-im-Bild-Charakter. Auch wenn sehr ruppig bis aufreizend fahrlässig gemalt, bringt eine gewisse Wattigkeit oder Diffusion gerade immer im Gesichtsbereich diese rätselhaften Gegenüber zum weltfernen Schwingen. So wie stellenweise einzelne Farbspuren in den Teint gebürstet, gekratzt und gespachtelt sind, versteht man besser, wo Lucian Freud seinen eigentümlichen Hautstreuselkuchen abgeleitet hat. Die Haut ist nicht von Farbe befallen, als dass etwa die Farbspuren zu ihrer abstrahierten Eigenständigkeit kämen, noch verschwindet ihre Materialität komplett als Lokalfarbe in dem was sie repräsentieren soll. Diese Bildbestandteile in den besten Stellen sind weder Farbe noch Haut, also kann es auch kein Menschengesicht sein, was sich dort vor meinem Auge zusammensetzt.

Und auch wenn es hier gerade nicht um hyperreale Malereiphänomene geht, ist es verblüffend, wie erbärmlich flach und aufgesetzt fast alle übrigen Meisterwerke im Rijksmuseum nach zwei Stunden Rembrandt aussehen. Ein Frans Hals wird zur abgeschmackten Farbkopie seiner selbst. Nur Vermeer kann das nichts anhaben.

1 David Sylvester, Ein Gespräch mit Philipp Guston, Bern/Wien, 2013, S.29
„Der späte Rembrandt“, Rijksmuseum Amsterdam, 12.02 - 17.05.2015




Texte zur Kunst Nr.85 / März. 2012


Das Angeeignte muss aufs Eckige
Über Michel Majerus im Kunstmuseum Stuttgart, Stuttgart

Man könnte Michel Majerus einmal versuchsweise nicht unter die Kategorie „typischer 90er Jahre Maler“ einsortieren. Sondern einfach als Installationskünstler mit Bildungsauftrag, der bevorzugt mit bemalten Oberflächen auch im Raum operierte, unterstützt von Spracheinbindung über Medien- und Betriebsreflexion. „It does not really matter what things look like if one cannot see them that well anyway.“ So viel ist jedenfalls sicher: Majerus’ Alleinstellungsmerkmal war nicht die pure Malerei. Nicht, dass Majerus´ übersichtliche Retrospektive des Kunstmuseums Stuttgart im Sinne einer Neubewertung seiner Position angelegt wäre. Die Ausstellung geht eher strikt retrospektiv und historisierend vor, wenn sie auch ausführlich frühe Arbeiten aus der Studentenzeit berücksichtigt. Die Großformate als ein wesentlicher Teil seines Oeuvres fehlen leider vollständig. Letztlich wahrscheinlich einfach bedingt durch mangelnde Deckenhöhe im Museum. Da kann man wohl nichts machen.

Anfang der neunziger Jahre gab es eher kaum nennenswerte Malerei. Die neuen Wilden hatten in den achtziger Jahren den Modus des Kurzzeithype in den Kunstbetrieb eingeführt. Oder anders gesehen: Auch im expandierenden Kunstmarkt kamen nun kurzlebige Produktzyklen ins Spiel. Dabei hatten die Neuen Wilden nicht nur ihr Medium nachhaltig desavouiert, sondern sich selbst als Protagonisten gleich mit entsorgt. Richter, Polke, Kiefer und auch Baselitz waren sozusagen aus der Deckung im Fahrtwind dieses Hypes zu internationalen Großkünstlern aufgestiegen, auch wenn eigentlich sie es waren, die von den Neuen Wilden entschieden auf die Schippe genommen wurden. Die einzige recht müde Malereigroßausstellung danach, „Der zerbrochene Spiegel“ (1993) in Wien und Hamburg, konnte oder wahrscheinlicher: wollte keine richtige Aufbruchstimmung verbreiten. Die wenigen jungen Überlebenden der vermeintlichen Neuen Wilden wie Kippenberger oder Albert Oehlen befanden sich noch auf ihrem mühsamen Marsch ins Museum. Um 1992, jedenfalls in meiner Wahrnehmung, tauchten mit Marlene Dumas, Peter Doig und den Zeichnungen von Raymond Pettibon Positionen auf, die in vermeintlich altbekannten Sackgassen zumindest frischen Wind entfachen konnten. Bzw. fanden diese länger unbeschrittene Sackgassen (wie Landschaftsmalerei) oder praktizierten Crossover-Import mit der Ästhetik musikalischer Subkulturen. Ab Mitte des Jahrzehnts traten mit Franz Ackermann, Lucas Duwenhögger, Michel Majerus und auch Kai Althoff Künstler auf den Plan, die Malerei eher mit dem ausgestreckten Zeigefinger oder authentischer Fernbedienung benutzten und auffällig mit installativen Momenten kombinierten.

Im Vergleich zu diesen genannten Künstlern kennzeichnet Majerus ein besonders distanziertes Verhältnis zur Malerei an sich, auch wenn er offensichtlich sehr gern und gekonnt in einem bestimmten Spektrum gemalt hat, wobei seine Malerei allerdings mehr wie ein Joystick-Handling verschiedener malerischer Benutzeroberflächen nach einem referenzsicher kalkulierten Beuteschema wirkt. Das mag im Nachhinein aber auch abgesicherter erscheinen, als es sich seinerzeit tatsächlich angefühlt haben mag, wenn man etwa Frank Stella-Streifen, Gerhard Richter-Schlieren und den Computerhelden SuperMario auf einer Leinwand aufeinandertreffen ließ.

Angeblich hat Per Kirkeby als Professor am Städel seinen Studenten öfters einen Donald Duck aufs Bild gemalt, um etwas Störfeuer ins akademische Spiel zu bringen. Ein Kollege hat treffend bemerkt, Majerus habe ganz einfach die Positionen seiner beiden grundverschiedenen Stuttgarter Professoren Sonderborg (ein maßgeblicher Informel-Maler der Nachkriegszeit) und Joseph Kosuth miteinander in Verbindung gebracht. Neue Türen hat er im klassisch innovativen Sinne für das Medium damit zwar nicht aufgemacht. `Innovativ´ klingt auch heutzutage noch so altbacken wie `Erneuerer´. „Zunächst schafft Majerus für sich den Druck des genialen Einfalls ab. Für ihn entsteht Kunst nicht als Wettstreit um die originellste Idee. Kunst ist eine autonome Sprache, die sich ohnehin entwickelt und dabei Künstler nur als ‚Wirt’ besetzt “, wie Stepahn Schmidt-Wulffen im Katalog schreibt. Also eher alte Türen beinahe lustig und referenzsicher durch die malerische Luft bzw. im Bildraum herum gezwirbelt. Recht abgedroschene Stichworte wie Sampling, Copy&Paste oder Zappen kommen hier wortwörtlich zum Einsatz. Das klingt fast rührend nach echter Postmoderne und ist es auch gerade noch oder fast schon nicht mehr.

Schmidt-Wulffen bringt in seinem Essay außerdem plausibel den Begriff des `schwachen Subjekts´ als damals adäquate Künstlerrolle ins Spiel. Die Popart hatte dem genialen Habitus der abstrakten Expressionisten den Garaus gemacht mit ihrer bedingt subversiven Warenwelt-Verdopplung. Warhol träumte davon (nur) eine Maschine zu sein. Die sogenannte Subjektivität programmatisch mal auszusperren, machte als Kontrastprogramm exemplarisch eine Weile Sinn, aber als Dauerzustand? Wozu gibt es denn kreative Kompetenzen? Die Rolle des Subjekts kam so Anfang der Neunziger in entkernter Form wieder ins Spiel. Besagte Neue Wilde hatten dagegen eher einen Schlawiner-Karaoke-Individualismus praktiziert. (Apropos Subjektstatus: Man merkt, ich übe für unseriöse Wikipedia-Einträge.) Michel Majerus’ Künstlerrolle funktioniert da schon wieder anders. Auch wenn es nach harter historischer Rekombination aussieht, war für ihn und seine Bildqualitäten immer entscheidend, von seinen vereinnahmten Sujets und Malweisen entsprechend affiziert gewesen zu sein. Schwieriges Wort, aber Identifizierung geht hier schon wieder viel zu sehr in Richtung menschelnde Auflösungsphantasien. Wenn Majerus nicht so gern SuperMario gespielt hätte, hätte er ihn auch nicht so oft gemalt.

Vielleicht lässt es sich besser abwegig erklären: Ich schieße diesen Fußball zwar, jedoch nicht aus dem Grund, weil ich das Spielgerät Ball an sich toll finde (Echt- & Gutmaler), ich schieße ihn auch nicht extra krumm in die Tribüne, weil diese atypische Nutzung spektakulär antimedial wäre („das Medium gegen seine eigenen Codes verwenden“, lautete ein Motto von Diedrichsen zur Relevanz vom Bad Painting in den 80er), ich schieße ihn auch nicht so, als ob er gar nicht mehr da wäre und trotzdem das von mir beschleunigte Luftloch als Tor zählt (Picture Generation mit Malern wie Peter Halley beispielsweise), nein, ich schieße ihn, weil das Design des damaligen WM-Balls irre gut ausgesehen hat, als er vor einem Bennetton-Werbeplakat vorbei geflogen ist. Diese Beschreibung ist dann leider doch zu kompliziert für Majerus Herangehensweise, ein Eigentor.

Generell machten sich damals mit Majerus und anderen Ansätze breit, die von diesen ideologischen und medialen Rollenfestschreibungen einfach keine Notiz nahmen, ohne jedoch im Sinne von `Posthistoire´ zu funktionieren. Wozu sich selbst mit nur einem Qualitätsparameter limitieren, wenn man auch mehrere, durchaus gegensätzliche Bildqualitäten im gemalten Bild aufmarschieren lassen kann? Diesen erfrischenden Zugriff spürt man auch heute noch seinen Bildern an. Wenn man unwillkürlich Lust bekommt, zu malen, ist es ohnehin das beste Zeichen.
Mit Sicherheit war Majerus einer der ersten Maler, der effizient die digitalen Ressourcen von Photoshop für den Malereiprozess zu nutzen verstand. Auch die heraufziehende Bilderflut des Internets und deren unausschaltbare Allgegenwärtigkeit klingen in seinem Ressourcenkatalog bereits an. Insgesamt beschreibt sich hier eine sich anbahnende Aufgabenverschiebung in der Kunst weg vom imaginativen Kreateur zum visuellen Management, das noch über einen oder mehrere funktionierende Relevanzfilter verfügt. Die beste Kunst wäre heute insofern fast diejenige, die einfach eine Menge penetranter Bildwelten unwiderruflich für alle Zeiten löschen könnte, falls dabei nicht zu viele verfassungsrechtliche Bedenken auftauchen. Das trifft auf Majerus Intention und Arbeiten aber weniger zu. Vielmehr springt einen aus seinen Bildern förmlich eine pralle Leere und Redundanz mit viel Offensivdrang an. Es spricht hier eine undifferenzierte phänomenologische MixedMedia-Neugier auf damals aktuelle Materialisierungsformen von Welt. Der Einsatz verschiedener Bildherstellungsweisen von Siebdruck bis zu großformatigen Computerplots stehen vielmehr für ein postmediales Displaybewusstsein, das für eine reine Malereiposition viel zu heterogen wäre und auch gern mal eine Ausstellungssituation komplett mit einer Halfpipe gefüllt oder das Brandenburger Tor mit dem Megaposter des Sozialpalasts verhüllt hat.
Die wiederholte Zweckentfremdung von Inkunabeln der Kunstgeschichte wie Stella macht natürlich etwas mit diesen ursprünglich imposanten Pioniertaten der Kunst. Zwischen Ehrerbietung und Verhohnepipelung (jedenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft von vermeintlich billigen Alltagsikonen und 10-Cent Grafikdesign) bleibt von seinem Vereinnahmungsgestus etwas auf der fiesen Ambivalenzkante hängen. Die häufig outline-lastigen Schriftzüge haben latent einen leichten Graffititouch. Eigentlich komisch, dass Majerus Graffiti nie direkt verwendet hat.

Man könnte heute denken, dass die Appropriationskunst der Picture Generation versuchshalber zeitweilig das klassische Zitat abgeschafft hat. Was wiederum etwas verkehrt herum gedacht ist, wenn man davon ausgeht, das Aneignungskunst ursprünglich den überhöhten Status des Originals in Frage stellen und aushöhlen wollte. Wobei das Original selbst auch eher ein vorgeschobenes Angriffsziel dieser Vereinnahmungen war. Und wiederum nur als einen greifbarer Statthalter des Reinen sowie des Autors bzw. Künstlergenies für diese Attacke diente.

Für dekonstruktive Ansätze war Majerus vielleicht ohnehin zu marktorientiert veranlagt. Ehe man ihn jetzt historisierend fälschlicherweise zum vermeintlichen Großmaler stilisiert, passt dann eine mögliche Einsortierung als Künstler der Picture Generation der zweiten bis dritten Generation besser. Derlei urheberrechtlichen Tabubrüche waren Mitte der neunziger zwar kein akademischer Standard, aber der Überraschungsmoment hielt sich auch in Europa in Grenzen. Eine gewisse Zuspitzung und Unterscheidung zu seinen Annektierungsvorläufern ergibt sich aus seinen multiple Appropiationen. So wie sich Majerus aus dem besagten Stilmix eine künstlerische Identität geschaffen hat, kreieren sich betuchte Verbraucher ihr typisches Marken- und Labelegoset bzw. verstärken ihr Überich mit Prada und Gucci. Oder in fünfzig Jahren mag man fälschlicherweise denken, dass Majerus eine historische interessante Binnenposition genau zwischen Abstraktem Expressionismus und Popart bespielt hat. Die Frage ist: Spielt es eine Rolle, dass er eben diese Position erst circa dreißig Jahre später ausformuliert hat?

So erfüllen sich zumindest mögliche Wünsche nach einer stringent linearen Kunstgeschichtsschreibung, auch wenn diese zeitversetzt  - ein Schritt vor, zwei Schritt zurück ist noch zu einfach – komplettiert wird. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich ein nicht unerheblicher Teil der zeitgenössischen Kunst ähnlichen Aufgabenstellungen gewidmet.

 

 

Katalogtext
Heidi Sill, "Ähnliche Wirkungen / Simliar Effects", Matthes & Seitz, 2010

Die beste Haut und der bessere Makel

Heidi Sill macht Kunst mit und über optimierte menschliche Oberflächen. Man könnte auch sagen, sie bricht dem durchaus penetranten Beautyregime einen Zacken aus der Krone. Die Zeiten, in denen Kunst störende Pickel und andere kleine Makel im Konterfei idealisierter Herrscher und anderer Lichtgestalten retuschierten, sind natürlich schon lange vorbei. Schönheitsideale werden von der bildenden Kunst schon lange nicht mehr entwickelt. Maßgebliche gesamtgesellschaftliche Stylecodes auch länger nicht mehr. Die vielzitierte Autonomie kommt hier nach wie vor auch einer Selbstbeschränkung gleich. Um Parameter des Menschenbildes kümmert sich schon länger und erheblich effizienter die Kosmetik-, Mode- & Celebritybranche. Und die macht das leider eher zu gut. Der Perfektionsgrad ist durchaus erschütternd und kaum noch von dieser Welt. Aber das war früher mitunter auch nicht viel anders: Bei Computertomographien der bekannten Nofretete-Büste wurde jüngst unter der Gipsschicht noch ein anderes Gesicht der Nofretete mit Falten und krummer Nase entdeckt. Wenn es schon kein zweites Leben geben kann, dann doch bitte mindestens eine zweite Haut. Nach Botox scheint jetzt das unaussprechliche körpereigene Wundermittel Hyaluron zumindest vorübergehend hilfreich. Unterspritzen als Wort ist fast so toll wie Schonvermögen. Die Warnungen nach einer halben Stunde Internet halten sich in Grenzen, aber was weiß man.

Hinter dem einem perfekten Look sitzt immer noch ein ganz anderer. Natürlich müsste man jetzt länger über Michael Jackson sprechen. Und dass eigentlich sein vermeintlicher Nasen-Operationswahn nur darauf aus war, eine so perfekte Nasen-Soll-Bruchstelle wie bei der Sphinx herzustellen. Am besten wäre noch gewesen, wenn seine malträtierte Nase einfach live mitten auf der Bühne, plong, sich Richtung Fußboden verabschiedet hätte. Und plötzlich wäre Michael Jackson die Reinkarnation der Sphinx gewesen, die auch noch perfekt tanzen kann. Sehr schade, dass das nicht mehr geklappt hat.

Nicht wenige Models stehen morgens vorm Spiegel, und denken, scheiße, da sitzen schon wieder einige Pixel schief, aber wie komm ich jetzt mit Photoshop in mein lädiertes Spiegelbild rein? Nicht nur hierdurch ergeben sich zwangsläufig neue Angriffsflächen oder, sanfter formuliert, Betätigungsfelder für bildgebende künstlerischen Verfahren. Genau hier setzen Heidi Sills Arbeiten via verschiedener Einfallswinkel an. Die überästhetisierte Scheinschönheiten bekommen wortwörtlich einige verdiente Kratzer ab.

Eigentlich entsprechen alle Arbeitsweisen in diesem Katalog einem umfassenden Mehrstufenpäckchen das besagtes Themenfeld gekonnt umzingelt. All diese Verfahren - Heidi Sill arbeitet gezielt in Serien - haben eins gemeinsam: den interessanten Makel. In Kurzversion geht es jeweils um die konkrete Attacke per Collage („Cuts“), ein subtiles Unterlaufen via direkter Verunstaltungsmalerei auf Hochglanzseiten („Models“), eine abwegig ästhetisierte Oberflächenkultivierung des Looks hinter der ersten Haut sowie in einer Art Umkehrung die grafische Neutralisierung vielteiliger Brandverletzungen („Skins“).

Was hier erst mal martialisch klingt, wird in großformatigen Zeichnungen („Skins“) geradezu elegant mit grafischen Außenlinien neutralisiert. Jeweils eine Vielzahl abstrahierter Brandverletzungen werden in einem Gesicht übereinander gemappt. So entsteht eine diffuse Art der Gesichtkartographie, die wenig Gutes ahnen lässt, ohne genannte Hintergrundinformationen jedoch nichts konkret abstoßendes hat. Eine Irritierung, was all diese dünnkantigen Outlines in diesem Gesicht verursacht haben mag, bleibt nachhaltig im Blicke des Betrachters stecken, auch weil Augen, Nase und Mund immer in der Darstellung außen vor bleiben. Die geisterhafte Anmutung dieser Unmenge von fusslig-zarten Markierungen legt auch eine Art Eyetracking nahe.

In der Collagenserie „Cuts“ arbeitet Heidi Sill mit einem Ausgangsmaterial, das sich wie kaum ein anderes des Knowhow´s altmeisterlicher Malerei bedient. Die professionelle Modefotografie ist da sehr effizient geworden, was allerdings eher nur Kunsthistoriker bemerken. Die wiederum kaufen die italienische Vogue recht selten. Heidi Sill schneidet durchaus rabiat und mit direkt schmerzhafter Anmutung bestimmte Gesichtspartien wie Augen, Wangen und anderes weg. Gottseidank klingt die Beschreibung simpler als das Ergebnis einen erwischt. Zum Teil geht die Klinge direkt in die Augäpfel rein, aber eben nicht nur, sondern mit weiteren (De)-Kompositionseingriffen werden auch überlange Wimpern hinzugefügt, oder einfach abstrakte kurvige Ausschnittsformen an den Wangen platziert, die das ursprünglich perfekt anmutende Antlitz weiter durchlöchern. Entscheidend ist weiter, dass hinter den weggeschnittenen Bildteilen immer noch andre Gesichtsfetzen von dahinter liegenden Magazinseiten zum Vorschein kommen. Diese löchrig bearbeiteten Konterfeis erhalten so einen stark maskenartigen Charakter, wobei das Ausgangsgesicht aber immer zum Großteil unangetastet bleibt. Durch dessen sphärisch lebensechte Inszenierung wirkt dieser Teint nach wie vor tau- , puder- oder pixelfrisch. Um so mehr erscheinen die beschriebenen Ausschneidungen weiterhin bedrohlich verletzend. Wäre das ganze Gesicht weggeschnippelt, wüsste man nicht, worum man trauern sollte. Auch das schlüsselreizfixierte menschliche Betrachterauge, das instinktiv immer auf sein eigenes bedrohtes Gesicht rückkoppelt, macht diese grafisch-chirurgischen Einschnitte so virulent. Insgesamt imponiert hier eine gestapelt kubistische Bildanmutung mit komplexen Sandwichqualitäten. Mein Auge beißt da nicht nur in die übliche Schicht Hyper-Schinken, sondern als Surplus bekommt der `synaptische Gaumen´ noch zwei, drei weitere Geschmacksteints serviert bzw. nachgereicht.

In einer zweitem Serie („Models“) mit Modemagazinen als Ressource kommen keine Klingen zum Einsatz, sondern eine subtile Trompe-l'œil-Malerei fügt den Köpfen der Models direkt auf den Hochglanzseiten Verletzungen wie Blutergüsse oder dezente blaue Flecke zu. Mitunter hat die applizierte Malerei fast photorealistische Qualitäten. Nicht das es darum explizit ginge. Ein bestimmter Grad an suggestiver Wirklichkeitsnähe ist für Heidi Sills subversive Bildumwertung wesentlich, eben kein formaler Selbstzweck. Die Malweise kippt manchmal auch leicht Richtung Schminkunfall. Damit zieht dieses Zuviel an Schminke auch dem restlichen überinszenierten Hochglanzlook den Boden unter den Füßen weg, heißt, die vermeintlich hyperreale Selbstverständlichkeit bröckelt so von den Seiten runter. Treffen sich zwei Lügen in unmittelbarer Nachbarschaft, wird eine der beiden Unwahrheiten automatisch umso offensichtlicher.

Eine hochgradig manierierte Bildwelt wird von Heidi Sill mannigfaltig zweckentfremdet und konvertiert in eher schwer verortbare Bildsignale. Es geht natürlich nicht um moralische Dekadenzkritik. Eher um notwendiges Relativieren deutlich überkonditionierter Schönheitskonstruktionen. Und dass sich diese auch mit den eigenen Mittel auskontern lassen ohne Didaktik und pflichtschuldige Dokumentationen. Trotz Heidi Sills bildnerischer Attacken bleibt die Anmut dieser ephemeren Wesen unangetastet. Die beschriebenen Unterlaufungen mit recht rabiaten künstlerischen Drehmomenten schütteln gekonnt die Scheuklappen des Betrachters innerhalb eines omnipräsenten Ästhetikopferschemas ab, dem sich auch kaum die nichtwestliche Verbraucherwelt entziehen kann. Das ist erheblich schwerer zu bewerkstelligen, wie es hier beschrieben klingt. Fragen Sie mal ihre Tochter, warum sie sich gerade noch ein Kilo weggehungert hat. Natürlich auch nur ein Klischee. Leider aber funktionieren Klischees in etwa so wie sich selbst multiplizierende Klettverschlüsse.

(Katalog "Difference, what difference", Sondershow Artforum Berlin, 2008)

Maler waren die ersten Nerds

Stellen wir uns doch einfach mal vor, dass es überhaupt keine Malerei mehr gäbe. Sofort klafft einem eine Lücke im Herz, doppelt so groß wie dasselbige. Gut, nicht bei jedem. 98% von allen Gehwegbenutzern ist das eher schnuppe. Aber in jedem Künstlerbedarfsladen fängt die Kasse sofort an zu zittern. Ohne all die gespannten und bemalten Leinwände gäbe es einen Haufen schöner leerer weißer Wände mehr. Der Umsatz flachwachsender Grünpflanzen würde kräftig zulegen. Jede Menge genmanipuliertes Efeu würde also forschungstechnisch beschleunigt auf den Weg gebracht. Oder aus Verzweiflung hängen die Leute mit Einrichtungs-Horror Vacui erst mal alle Teppiche an die Wand und müssen massiv ihre Familienfotos vergrößern. Opa, der mich immer schlug, drei Meter hoch? Knapp zweihundert Museen in Deutschland wären top locations für hochpreisige Gyms, exklusive Meditationszentren und natürlich viele Moscheen. Ein paar katholische Kirchen sind vielleicht auch noch mit von der Partie, könnten sich aber wohl nicht besonders lange halten, weil ihr christlicher Budenzauber bilderlos einfach nicht funktioniert. Mapplethorpe´ oder von wem Fotos aufhängen? Ach, lieber nicht. Einige Museen würden auch nottugendtechnisch mit dem Label „malereifrei“ auf Zustrom setzen. Kunsthochschulen hätten weltweit den Verlust eines sehr kostengünstigen Studiengangs zu beklagen.

Wenn das eingangs erwähnte Gedankenspiel bald Wirklichkeit geworden ist, wird man sich alsbald versonnen erinnern, ja, da waren doch mal diese kurzen Stöcke mit eigenartigem Haarwuchs, wurden sogar frisiert, und wenn man die lange genug über glatten Flächen hin und her bewegte, floss öliges Zeugs heraus. Getrocknet blieb manchmal eine bildhafte Anmutung haften. Selbst auch in der Erinnerung. Ja, entfernt in etwa so wie bei einem Tintenstrahldrucker.

Eine wabernde Größe wie die Menschheit sucht völlig zu Recht händeringend nach Fertigkeiten, die ihr planetarisches Wirken möglichst freundlich legitimieren. Giftmülldeponien, jährlich Millionen Hungertote, Windows, Ozonlöcher oder Guantanamo zeigt man Onkel Außerirdisch nicht so gern, falls er doch mal auf Visite kommt. Dagegen ein kleines Stück virtuose Peinture und einfach auch die Hände hochhalten plus heftig bestätigendem Nicken, ja, das waren nur diese Bodytools, damit der kurze Weg der Herstellung klar wird, zeigen, dass im Anwesen Welt mit verschiedenen Unwesen vielleicht ab und an doch ein guter Kern aufflackert.

Dass Malerei nach wie vor als kommerziellstes Medium im aktuellen Kunstgeschehen gilt, bringt sie nicht nur im Rahmen dieses Ausstellung mitunter in eine etwas heikle Position. Jedenfalls sehen das einige so. Zwischen den Polen Diskurs und Markt, falls sich das so strikt trennen lässt, ist Malerei seit 2000 jedenfalls letztgenanntem deutlich näher gekommen. Oder auch teilweise nahtlos darin aufgegangen. Vorher wollten verschiedene Diskursfelder sie auch nicht haben, oder höchstens als missliebig ferngesteuertes Stichwortfutter, also wo sollte sie auch hin. Wenn im Blindkauf containerweise Malerei aus einer bestimmten Region geordert wird oder bei einem Pinselstrich der Maler denken muss, uffz, schon wieder fünftausend mehr pro Handschlenker auf dem Kontostand, scheiße, die Steuern, was mach ich bloß, die Warteliste zahlt vielleicht inzwischen schon via Liveübertragung, ist das einerseits lustig gaga dekadenter Spätkapitalismus andererseits auch bedenklich. Warum ein paar Absätze später.

Die Vokabel `kommerziell´ beinhaltet bereits so einiges an Vorurteilskultur. Diese bemüht im wesentlichen recht ungebrochen siebziger Jahre Argumentationsstränge. Etwa als sich die eigene Fortschrittlichkeit am liebsten über Ausgrenzung bestimmter Medien beweisen ließ. Oder agiert mit Stichworten wie Retinalkunst, Luxusposter .... Die Argumente gegen Malerei erscheinen da häufig fast altbackener als die damit kritisierte heutige Malerei, auch wenn diese ebenso bevorzugt an alten Quellen trinken geht. Unsere kulturelle Epoche gerade heißt nun mal `Wartezimmer´. Und der Doktor hat sich leider schon vor einigen Jahrzehnten aus dem Staub gemacht. Vielleicht hocken aber auch alle in einer Anwaltspraxis wegen endloser Erbschaftsfragen.

Sagen wir mal so, die besagte erfolgreiche Warenform von Malerei war ihrer inhaltlich breit gefächerten Besprechung nicht immer besonders förderlich. Ultimative Schlüsseltexte über jüngste Malerei sind, soweit ich weiß, seit gut zwanzig Jahren nicht geschrieben worden oder waren eben einfach nicht nötig: entweder wegen schlichter Redundanz der geschehenen Kunst oder weil eben eine theoretische Aufbereitung als Durchsetzungsmoment im Kunstmarkt sich schon länger erübrigt hat? Also: Alles, was sich so gut verkauft, dass es jährlich auf Auktionen mehrere Milliarden umgesetzt werden, muss entsprechend stromlinienförmig zurecht geschmurchelt worden sein, so ein totgequatschtes Klischee, womit jedweder interessante Tiefgang oder jegliche Substanz sich von selbst ausschließt. Populismus versus Elite lautet dann ein paar Sätze weiter die Blockbildung. Beimnächsten Satz sind Gottseidank schon alle aus Langeweile eingeschlafen. Und träumen vom sperrigen Institutionskünstler und immateriell orientierten Referenzspießern als echte Contenthelden.

Sogenannte Mediendiskussionen, die eine bestimmte Zeitgemäßheit an bestimmte kulturelle Techniken koppelten , - wie mit dem Mund oder Hologramm kann man heutzutage einfach keine menschheitsrettenden Statements mehr tätigen ,- schienen zu Recht bereits der Vergangenheit anzugehören. Egal, wie was womit gemacht wurde, Hauptsache, interessant. So war das in den goldenen Neunzigern. Allerdings war da Malerei kaum und wenn eher nur in Kombination mit installativen Komponenten präsent. Siehe Positionen wie Michel Majerus, Karen Kilimnik, Franz Ackermann oder Lukas Duwenhögger. Intensive Schatzkästleinpositionen wie Marlene Dumas oder Elizabeth Peyton waren Anfang der Neunziger eher vom schnellen Vergessen bedrohte Ausnahmen. Tendenziell macht sich hier seit dem Malereiboom wieder Zunftdenken breit. Ist es Malerei oder Kunst? Die Fragestellung flackert mitunter auch gern wieder auf. Tja, der kalte Krieg ist anderswo auch wieder am Durchstarten. Wenn angegraute Restideologie gegen darwinistische Marktgläubigkeit antritt, kann es eigentlich nur zwei Verlierer geben. Irgendwie wie zwei überholte Rentnermodelle, die niemand sonst zum Schlagen haben. Insgesamt ist die starke öffentliche Beachtung von Malerei in den letzten Jahren auch den anderen Kunstsparten zu zuschreiben, eben weil die sonstigen Künste kaum Schlagkräftiges mit Hypepotential auf die Beine stellen konnten. Abgesehen davon ist der besagte Malereiboom wohl seit einem Jahr Vergangenheit.

Die seit einigen Jahren geläufige Unterscheidung in Kunstmarkt- und Biennalenkunst zeigt weiter, dass sich hier etwas nicht unbedingt zum besseren verschoben hat. Wobei sich einige Kuratoren, um sich von einer infektiösen Kommerzialisierung auch im Biennalensektor als Frischfleischsektor abzusetzen versuchen, indem sie diese vermeintlich eher inhaltlichen Ausstellungsformate zunehmend verweigerungsartig bespielen. Geringstmögliche Attraktivität als Qualitätsmerkmal. Bei der letzten Berlin Biennale gab es schlichtweg keine visuell markanten Ausstellungsstücke, die genügend mediale Durchschlagskraft für irgendeine Titelseite gehabt hätten, jedenfalls nicht im Presseverteiler. Wenn diese Tendenz anhält, kann man bald von Bad Curating als späte Entsprechung und Wahlverwandtschaft zum Bad Painting sprechen.

Wenn es hier unter anderem um das Verhältnis von Inhaltlichkeit und Verkäuflichkeit geht, fragt sich sofort, wer denn nun die fünf interessantesten Diskursmaler sein mögen. Falls es das Label denn gibt, und auch wenn das mit Sicherheit niemand sein will. Zwischen den Stühlen fällt man immer nicht nur eine Etage tiefer. Taktische oder ehrliche Antwort? Es gibt nur vier: Michael Krebber, Paulina Orlowska, Lucie McKenzie und Dierk Schmidt. Es könnten auch Luc Tuymans, Wawa Tokarski, Martin Kippenberger oder Johanna Kandl sein. Historisch ist es etwas einfacher: Elaine Sturtevant, Jörg Immendorff, Richard Hamilton und Herr Buren. Ein Klischee von Diskurs- oder auch Kontextmalerei kennzeichnet einem bewussten Verzicht auf Sinnlichkeit. Das hat sich in den letzten Jahren eher etwas gegeben. Schminke ist auch in derlei Malereipositionen weniger verpönt. Besser wäre vielleicht die Unterscheidung zwischen distanziertem und ungebrochenem Verhältnis zum benutzten Medium. Eine bewusst gesteuerte Benutzung gemalter Oberflächen um spezifisch inhaltliche Momente möglichst eindrucksvoll visuell zu veranschaulichen, so funktioniert in etwa Remote control – Malerei. Da kann eigentlich nichts schief gehen, ein bestimmtes Maß virtuoser Handwerklichkeit vorausgesetzt, was Spannungsmomente aber öfters arbeitslos macht.
Generell ist wahrscheinlich die Hierarchie zwischen Absicht und Umsetzung ausschlaggebend. Ist allein schon die zu verpackende Intention oder Message von mindestens doppeltem Wahrheitsgehalt beseelt, kommt meist ein lästige Betriebsblindheit für sogenannte bildnerische Momente zum Tragen. Unter anderem darum gibt es leider selten gute linke Kunst. Gerade bei einem überaus eigendynamischen Medium wie Malerei, funktionieren die benutzten Mittel öfters mehr wie ein sehr emanzipiertes Auto, das den besseren Weg zum Ziel oft genauer kennt als der Fahrer.
Die Problemkonstellation entspricht einem Nachrichtensprecher in simultaner Doppelrolle, weil er die von ihm verkündete (Un)tat im selben Moment soeben begangen hat. Ein sogenannter echter Maler zweifelt lieber tausendmal an sich selbst als seinem identitätsstiftendes Medium zu kündigen. Er kann sowieso nie die Qualität taxieren, die er gerade fabriziert hat. Formalschlumpf gegen Inhaltsbüttel wäre hier die nächste loose-loose-Situation.

Wenn mit der Einzug der Industrialisierung der erste Tod der Malerei eingeläutet wurde, könnte man jetzt, da sich die postindustrielle Gesellschaft schon länger sich zu sortieren versucht, auch einfach konstatieren, sind ohne klassische Industriegesellschaft die lebensbedrohlichen Umstände für die Malerei einfach nicht mehr gegeben. Leider etwas zu simpel systemimmanent gedacht. Trotzdem muss man immer wieder aufpassen, dass man nicht an Symptomen stirbt, die es gar nicht mehr gibt. Künstler der Pictures - Generation (Ross Bleckner, Phillip Taaffe, Peter Halley ...) konnten lediglich aufgrund derart verschobener Grundkonstanten à la Simulacren usw. überhaupt erst zum Pinsel greifen konnten, wobei sich auch herausstellte, dass durchaus distanzierte Fake-Positionen ihre eigenen qualitativen Authenzitätsmomente entwickeln. Eine Nichtidentifizierung mit dem Medium kann auch sehr produktive Züge haben.

Der sogenannte Erfolg und das Begehren nach zeitgenössischer Malerei ist in erster Linie auf ein massiv verstärktes Repräsentationsbedürfnis zurückzuführen. Selbstverständlich sorgt ein expansiver Kunstmarkt dafür, dass es mehr Malerei gibt. Zudem war entscheidend, dass sich Sotheby´s und Cristie´s verstärkt für Gegenwartskunst engagierten. 2005 wurde erstmals weltweit auf Auktionen mit Gegenwartskunst mehr umgesetzt als mit Klassischer Moderne. Impressionisten oder Kubisten als sogenannte Blue Chips gehandelt, sind zwar eine sichere Anlage, jedoch mit überschaubaren Gewinnmargen. Dagegen locken bei frischen zeitgenössischen Künstlern, wie sich jüngst bei Lucian Freud oder auch Peter Doig gezeigt hat, jederzeit immense Preissprünge. Es scheint eine historische Konstante zu sein: Je mehr bzw. weniger wirklich reiche Reiche die Weltlage `zulässt´, umso besser floriert hier der Absatz. Angesichts der sehr geringen Produktionskosten von Malerei ist diese Vorliebe eigentlich absurd, spielt es doch keine Rolle spielt, ob fünf- oder sechsstellige Summen investiert werden. Hier wäre es naheliegender oder auch ehrenwerter z.B. verstärkt aufwendige Projekte oder Filmproduktionen zu ermöglichen. Ungeahnte Spekulationserfolge mit Malerei wurden allerdings bereits 1914 erzielt, mit größeren Gewinnspannen, als bei allen anderen Spekulationswerten, etwa wie Gold damals möglich waren. Kann man jemandem vorwerfen, dass er immer zu reiche Kunden hat? Jede Million, die für Kunst ausgegeben wird, kann nicht in die Waffenindustrie investiert werden. Wenn allerdings das Kunstwerk gewinnbringend weiterveräußert wird, hat man mindestens eine Million mehr, um mehr Waffen zu kaufen. Dass bestimmte statusbedürftige Kreise überhaupt auf Malerei kamen, ist nicht nur der neoliberalen Mission „Reiche immer noch reicher machen“, sondern auch zu einem bestimmten Anteil der Malerei selbst zuzuschreiben. Die Verwendung oder Rehabilitierung von Handwerklichkeit und malerischem Können sowie die dramatische Zuspitzung der Einkommenskurven weltweit kamen in etwa zeitgleich aufeinander zu. Ein begnadet talentierter Maler zu sein war zu BRD-Zeiten fast das Schlimmste, was einem Künstler passieren konnte. Das Identitydesign der zunehmend abgehobenen Kundenkreise hätte nicht unbedingt mit Malerei befriedigt werden müssen. Denkbar wäre auch gewesen, dass sich speziell die neuen Sammlergenerationen schwerpunktmäßig auf Fotografie konzentrieren würden. Für Hedge-Fonds-Manager, die angeblich mittlerweile circa die Hälfte der Kunstmärkte bespielen, geht es ohnehin nur um Wall-power.

Mehr Geld sollte im Prinzip für alle mehr oder minder Beteiligten kein Problem sein, brächte eine fortschreitende Kommerzialisierung nicht eben die bekannten eigendynamischen Gesetzlichkeiten mit sich. Wie etwa: Ist das Säckel prall genug gestopft, fällt auch immer entsprechend mehr nach unten. Leider ein beliebtes Missverständnis: Geld fällt als prototypische Ausnahme von der Regel immer nach oben. Es geht um die Dollarzeichen in den Augen. Die machen vor nichts halt. Genauso wie man sich nicht wirklich den Unterschied zwischen zwei und zwanzig Millionen dingfest machen kann, eliminieren diese abstrakten Summen jegliche vormals ausschlaggebenden inhaltlichen Begleiterscheinungen. Sind bei Dir plus oder minus Dollarzeichen auf der Netzhaut eingebrannt? Laufen in Berlin jetzt schon zwanzig oder dreißig Künstlermillionäre als auffallend seriöse Berufsjugendliche rum? Ein umgekehrt argumentierendes Erklärungsmodell besagt:nur weil inhaltlich in der bildenden Kunst nach dem Kollaps des Avantgardelogik eine anhaltende Sinn- und Zielkrise grassiert, konnte ein derartiger Ausverkauf überhaupt passieren. Genau darum klingt auch dieser Absatz zu angespannt. Wer ein echtes Contentvakuum noch mal wirklich desinfizieren will, muss nur ein paar zweistellige Millionenbeträge da durchpusten. Wirkliche selbstreinigende Kräfte wären besser, gibt’s aber sowieso nicht. Das ist keine Darmgrippe.

 

 

Über: Charlotte Schleiffert, „Schlüsselszene“, Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 22.2.–9.3.2008.

Fü: BE-Magazin / Künstlerhaus Bethanien, 2008

Figurative Bastarde mit Vibrationsalarm

Der aggressive Malstil bei Charlotte Schleiffert enterotisiert nicht nur den alltäglichen Geschlechterkampf, sondern wird auch als moralische Verdeutlichungsmethode eingesetzt.

Nicht nur stiltechnisch ist Charlotte Schleiffert eine Art gute Schwester von Erik van Lieshout. Das ist durchweg positiv gemeint. Diese verwandtschaftliche Anbandelung passt augenscheinlich auf ihre übergroßen Figurationsbastarde, die man wirklich nicht gern zum Nachbarn hätte. Diese XXL-Standbilder auf Papier funktionieren ein wenig wie Mahnmomente zwischen fleischigem Kirchenturm, Hochglanzwolpertinger und Grabwächter, die immer eindeutig etwas im Auge haben, was es misstrauisch in Schach zu halten gilt. Von der Blickrichtung her kann eigentlich nur der Ausstellungsbesucher gemeint sein. Ein Schlossbesitzer oder Sammler, der sich nicht mehr in seine Gemächer traut, weil ihn seine stolz erworbenen Ikonen einfach zu sehr verängstigen, ist auch eine schöne Idee über doch mögliche Unvereinnahmbarkeiten von Kunst.
Inhaltlich interessant wird es auch im Vergleich bei Bilddarstellungen mit Sex, die beide im Hauptrepertoire haben, auch wenn das im Lauf der Jahre jeweils nachgelassen hat. Was bei Erik van Lieshout als bewusst heikles Abklopfen von jungserotischen Ikonografien inszeniert wird, steht und tanzt bei Charlotte Schleiffert recht derb als klassischer Geschlechterkampf im Bild herum. Falls der weibliche Blick mich auch so anguckt, ist die Frage, ob man das wirklich so genau wissen beziehungsweise sehen wollte. „Genau“ ist hier wiederum sehr relativ gemeint . Wenn auch leicht unfreiwillig, ist das natürlich ein prima Kompliment Das paarungsbedingte Hin- und Herpflügen der Körperteile in der Bildfläche ist changierend eingebettet in eine nivellierende abstrakte Fleckenkomposition. Das allzu Offensichtliche wird so erst nach einer Weile Suchundguckprozess mit leichten Schauern belohnt.

Charlotte Schleifferts expressionistische Anleihen, falls sie so zu nennen sind, könnte man leicht gewagt als positiven Hooliganismus bezeichnen. Der Begriff Expressionismus wird ohnehin immer mehr zu einer fahrlässig vereinfachenden Begrifflichkeit. Physische Aggressivität im Malstil wird bei Schleiffert als moralische Verdeutlichungsmethode quasi mit rüttelndem Vibrationsalarm benutzt. Das hat weder das Geringste zu tun mit ekstatischen antibürgerlichen Farbbefreiungen der „echten“ Expressionisten noch sind Ähnlichkeiten mit selbstverliebten Karaoke-Pinseleuphorien der neuen Wilden vorhanden. Führt man sich da ein ausdifferenziertes Bezeichnungsregister im Musikbereich wie bei Heavy Metal oder Hardcore vor Augen, fragt man sich ernsthaft, warum die klassische Kunstgeschichte hier nicht mal neu durchsortiert.
Während ihres Berlin-Aufenthalts hat sich in Charlotte Schleifferts Arbeitsweise ein neues Bildformat entwickelt. Bei ihrem gezeichneten Bildjournalismus geht um tagespolitische Motive wie sie jeder Nachrichtengucker zum Teil noch aus dieser oder jener Woche im Kopf hat. Zusammengenommen ergaben knapp dreißig Zeichnungsblätter als Teil ihrer Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien(1) fast einen aktuellen Überblick über akute Krisenherde und sonstige Themenhotspots in der Welt: Die Mönche marschieren wieder in Birma, Mindestlohn, Seniorenexodus in die Schwellenländer, Palästina, 100-Dollar-Notebook vorm Aus, Kadaver kriegen keinen Kredit, Afghanistan liebt Hochzeiten... Hier kommt der Einsatz von verhältnismäßig vielen Textzeilen (es klingt nach Pressezitaten) in den Zeichnungen vergleichsweise gesittet zum Tragen. Wenn die Bildzeitung bestimmtes Fotomaterial nicht abdrucken darf, wird das Bildmaterial eben in eine ordentliche Zeichnung umgesetzt. Dann gibt es keinen Ärger. Anstatt zu verharmlosen, setzten Schleifferts Zeichnungen – das bezieht sich auf ihre gesamten Stilimpetus – dagegen auf eine Steigerung der Drastik durch prekäre Vereinfachung. Sätze wie „Töten war so leicht wie Wasser trinken“ oder „Menschen nicht ärmer, nur sozial sensibler geworden“ bekommen in dieser fahrigen Handschrift unten am Bildrand noch mal eine kleine neue Unmittelbarkeit, die gedruckten Schlagzeilen oder dem Newsticker völlig abgeht. Die handgeschriebene Information suggeriert auch einen verbindlich persönlichen Entdecker und Überbringer dieser Botschaft. Oder die Aggression, die dies und das prototypisch himmelschreiende Elend verantwortet hat, kontert Charlotte Schleiffert mit einer entsprechend naiv-aggressiven Machart in den Zeichnungen, so als würde diese Verdoppelung der dokumentierten Untat und ihrer Zeugenschaft vor Augen führen können, was für verheerendes Unrecht sie repräsentiert. Die verrohte physische Umsetzung versucht einen frischen Blickzugang auf zu oft gesehenes Elend erneut offen zu legen, indem sie gewissermaßen die Eingeweide tot geguckter Bildklischees freikratzt.

 

aus: Wiederholungstextreader
HfbK, Hamburg 2004

Immer noch schon wieder

Eine aktuelle Künstlergeneration befasst sich in einem sehr starke Maße mit der sogenannten Moderne, als gebe es nur ein Vorwärts durch mehrere Rückwärtsgänge. Die auch noch möglichst gleichzeitig gefahren werden müssen. Vorwärts ist hier schon wieder zuviel gesagt und klingt allzu sehr nach Zukunft, wenn Zukunft denn Neuland heißt. Diese Beobachtungen beziehen sich eher auf aktuelles Kunstmarktgeschehen. Das man hier zunehmend entwicklungstechnisch lagermässig klar trennen kann, dafür spricht auch eine erneute projektmäßige Documentaleiter-Berufung. Das könnte insgesamt für die Tendenz stehen, dass sich die beiden Kunstsparten zunehmend komplett voneinander autonomisieren.
Diese Bespielung der Jetztzeit schlüpft in diverse Mäntel der Geschichte, als gebe nichts Schöneres denn in sehr alten Schuhen durch die Gegenwart zu stapfen. Puh, die von Max Ernst riechen doch ein wenig stark, die nehme ich aber noch nicht. Die Sehnsucht nach Giacometti ist auch noch nicht so groß. Die richtig großen Namen werden eher nicht aufgegriffen. Nicht nur das wirft einige Fragen auf.

Entweder handelt es sich dabei um einen möglichst „harten“, bewusst eingesetzten Akademismus - als scheinbar letztmögliche Provokation und auch Relativierung gegenüber überstrapazierten Postpoplooks - oder es geht um eine Art hehren umgekehrten Generationsvertrag, der bewusst als Vergangenheitsbewältigung oder gar Trauerarbeit funktioniert. Keine der gemutmaßten Erklärungen möchte man unbedingt die Bessere nennen. Man kann es einfach als ressourcenschonende Bespielung der Gegenwart ansehen. Wozu immer ein neues Brötchen essen? Sind doch genug alte da. Muss man nur ausbuddeln.
Die Haltung und das Lebensziel eines bekannten Malers, mit seinem Werk beispielsweise Wols und Polke zu überwinden, also letztlich zu maximieren im Sinne des Moderne-Mythos, ist in diesem aktuellen Umgang mit ‚alten Werten’ nicht mehr vorstellbar. Lineare, also finale Optimierungsfantasien kommen somit in dieser Generation nicht vor. Umgekehrt auch nicht die Tat der harten Schnitte, wie die eines jungen Künstlers, der eine Zeichnung eines Klassikers der abstrakten Moderne erbat bzw. erwarb, um diese auszuradieren. Der betroffene Klassiker war nicht so begeistert.

Außer explizit stilistischer Bezugnahme sind auf den ersten Blick wenig ideengeschichtliche und ideologische Anbindungsmomente auszumachen. Vermeintliche Pioniertaten der Moderne sind somit anscheinend ohne jedes inhaltliches Input erneut realisierbar, das annodazumal ja ausschlaggebend war, auch für die Entstehung einer entsprechend typische Formensprache. Um annähernd z.B. in Surrealismus zu machen, bedarf es jedenfalls nicht derselben Überzeugungen und verinnerlichten Utopien, die damals den Surrealismus genau zu dem machten, als was er dann bekannt wurde. Dass dies anscheinend verlustfrei geht, ist eine erste Überraschung dabei. Man kann dasselbe vom Look her tun, fünfzig Jahre später oder mehr, ohne direkte mentale Anbindung an den Überbau. Mental ist eine schöne Update - Begrifflichkeit für Gefühl mit eingebautem Katalysator. Oder Emotionen mit gebesserten Emissionswerten. Diese Überraschung ist natürlich ein wenig gespielt. Jeder qualifizierte Kopist im Museum, der einen Raphael brauchbar zum Erstaunen nachmalt, ist in keiner Weise in der Lage, sich die damalige Lebenssituation und Bildintention 1:1 vorzustellen.
Alles, was Mimetik betrifft, funktioniert erst mal über sogenanntes plumpes Nachmachen. Kinder schlagen Kinder, weil Erwachsene Erwachsene schlagen, und nicht zuerst aus angeborenen Welteroberungsmomenten. Besagte Kunst mit Retroflair hat jedoch wenig mit Mimetik zu tun, eher geht es allem Anschein nach um kreative Antiquitäten oder Devotionalien? Die mögliche Überraschung wird immer noch kleiner, wenn man sich einfach an das klassische Konzept der Postmoderne erinnert, die sogenannte Posthistoire als Zeitmodell oder auch vermeintliche Zeitlosigkeit, eben die rhetorische Befreiung einer Epoche durch ihre komplett Abkapselung an ihr zeitliches Vorher-Nachher. Diese sogenannte zeitliche Bezugslosigkeit ist mindestens in dem Punkt ein Phantasma, als wenn die befreiende Amnesie wirklich gelungen wäre, es ja nicht zu wortgetreuen stiltechnischen Wiederholungen kommen könnte.

Inwieweit unterscheiden sich solche Positionen von sogenannten epigonalen Vorgehensweisen wie man sie von sogenannten Amateuren oder Epigonen kennt? Ist das vielleicht wieder ganz stinknormaler Akademismus, der mangels Avantgardedruck oder Innovationszwang einfach wieder unter den gegebenen Umständen florieren kann. Oder was ist der Unterschied dabei zu klassisch wertkonservativen Positionen, wie man sie schon länger von Gerhard Merz, Markus Lüpertz und Günther Förg zur Genüge kennt. Diese Art Flashbackkunst der zuvor Genannten setzt sich vergleichsweise einfach durch ihre honorige Zelebrierungen ab, mit der diese von ihrem relaunchten Ausgangsmaterial profitieren. Hier ist immer eine ehrenrührige Bezugnahme in den Arbeiten direkt zu spüren. Sozusagen eine Art Demut bleibt gegenüber den Anleihen spürbar. Der Unterschied zwischen Vinyl und CD als Trägermedium passt hier vielleicht ganz gut, wenn man an wiederbeschreibbare CD’s denkt, also das Autorenprinzip hier eine Verschiebung vom Einweg zum Mehrwegsystem erfahren hat.
Es könnten einem auch die neuen Wilden einfallen, die in diesem Sinne als Strohfeuer eines historischen Flashbacks vielleicht dann doch sogar Pioniertäter waren, wenn man mal von Sturtevant absieht. Ihre Benutzerhaltung war schon mehr von augenzwinkerndem Schindludertum geprägt, das auch entfernt mit euphorischem Karaoke zu tun haben könnte.

Es ist womöglich schwierig Akademismus zu erkennen, wenn man womöglich nur noch Akademismus zu sehen bekommt. Schuld daran ist selbstverständlich die Avantgarde, weil es sie nicht mehr gibt, wenn es sie nicht mehr gibt. Ist das der Preis für den Verlust des Avantgardemodells? Was hieße, man muss auf absehbar unbestimmte Zeit immer wieder alte, durch und durch bekannte Wände einrennen? Wenn man in hundert Jahren kulturellen Ergebnisse der letzten zwei Jahrzehnte begutachten wird, wird man eventuell denken müssen, komisch, all diese Wiederaufführungen, Remakes, Coverpositionen so fünfzig bis achtzig Jahre später einfach annähernd dasselbe noch mal zu machen, aber, aha, da haben sie noch ein paar liegen gebliebene Scherben zusammengekehrt und zum Funkeln gebracht. Zum Abschiedsfunkeln oder Zukunftsschunkeln. Aber nur falls die künftigen Generationen überhaupt so genau hinschauen mögen. Das Ganze wirkt eventuell auch nur wie ein gut gemachter Abgesang von vielen arg zu spätgekommenen Nachgeburten. Vermutlich mag es eher nach einem in die Länge gezogenen kleinen traurigen Restefest ausschauen. So wie man die Hände einfach nicht loslassen mag, die einen tragen.

Es geht insgesamt weniger um Positionen, die auf vorangegangenen Altlasten genealogisch aufbauen, als vielmehr um Haltungen, die mit Kunst machen vorrangig untersuchen, wie man den Blick wieder frei bekommen kann auf Dinge, die man so oft gesehen hat, dass diese in ihrer ursprünglichen Intention längst unsichtbar geworden sind. Das kann natürlich nur annähernd gelingen und ist ohnehin nur Teilaspekt dieser Arbeitweisen. Es geht selbstverständlich nicht darum, einen Stella oder Noland partiell so zu malen, als wäre das der erste, den die Welt 'wieder’ zu Gesicht bekommt.

 

 

aus:  Texte zur Kunst  2003

ÜBER DIE AUSSTELLUNG "LIEBER MALER, MALE MIR ...", Schirn Kunsthalle Frankfurt

 

TITEL WEG!

Man kann nicht wirklich behaupten, dass es dem Medium Malerei an Reputation in den letzten Jahren gemangelt hätte. Sein Marktanteil im Kunstbetrieb ist nach wie vor eine entscheidende Größe. Kaum eine Galerie kann ohne Flachware existieren. Natürlich gab es kurzfristig Zeiten, da war es fast ein Dissidenzmedium. Aber das ist schon zehn Jahre her, bzw. fünfundzwanzig. Je weniger, also mehr reiche Reiche es gibt, umso besser kommt das Gemälde immer wieder als metaphysisches Spielzeug zum Zug. Klar, ich mach jetzt auch Palastformat. Vielleicht besucht das deutschsprachige Zeitungsfeuilleton zu wenig Kunstmessen, wenn es jetzt eigenartig launig einen kleinen Malerei-Hype ausrufen möchte. Und das mit einem Impetus, als hätte man es mit einem diskriminierten Medienformat zu tun, dem es greenpeaceartig unbedingt zu helfen gilt. Eine Diskussionsverbesserung der letzten Jahre war, dass sich kategorische Genre- oder Zunftfragen annähernd erübrigt haben. Insofern wirkt das Malereigepusche z.B. seitens der FAZ etwas überkommen, wenn Malerei als vielsprechendes Kunstformat mit Aktualitätswert damit wieder in ein solches Gattungsghetto gesteckt wird. Substanzfragen scheinen sich nicht weiter zu stellen, wenn zwei brauchbare Malereiausstellungen an selben Tag in Rufweite und einer hessischen Stadt eröffnen. „Die Generation Golf ist auch eine Generation Pinsel, die fern aller Dogmen ihre Umwelt in einem frechen Realismus festhält.“ Schöne Grabrede direkt bei der Trendgeburt.
Substantielle Knüller sind in den beiden Ausstellungen „deutschemalereizweitausenddrei“ und „Lieber Maler, male mir ...“ nicht vertreten. Wenn dem so wäre, würden auch viele wie ich sofort tot umfallen. Oder gern neu anfangen. Die Übersichtsausstellung im Frankfurter Kunstverein macht Sinn, so wie alle paar Jahre solche Überblickssondierungen angebracht sind. Hinzu kommt, dass der Austragungsort sonst mehr ein Tempelhüter des Postkonzeptuellen ist, was der Sache etwas Brisanz schenkt. Man kann dort weiter ausmachen, dass viele aktuelle MalerInnen Tafelbild und Bildpolitik oft nicht trennen wollen, also die ölige Verarbeitung von massenmedialen Visuals sind ein Standard, um Fragen nach der Arbeitsberechtigung außen vor zu lassen.
In Deutschlands größter Bowlingbahn mit Ausstellungsmöglichkeit geht es mehr um die Frage, inwieweit sich Verfeinerung, Zuspitzung und Ausdifferenzierung dieser Jahrtausendtechnik noch lohnen. In der Schirn Kunsthalle lohnt sich das Pinselspiel im Fegefeuer zwischen Manierismus, Dekadenz und Restauration. Im Katalog ist auch von Vampirismus und Nekromantik die Rede. Das schlaudumme Label der Ausstellung „Radikaler Realismus“ lebt von der kleinen postzynischen Freude, die Modernismus-Renegaten wie Picabia und Buffet mittlerweile sehr vielen bereiten können. Als Wegbereiter in diesem Konzept fungieren neben den beiden genannten noch Martin Kippenberger, Alex Katz und Sigmar Polke. Alles auf ihre Art toll optimierte Salonlöwen.
Picabia hat in seinem Leben 127 Sportwagen und nicht ganz so viele Stile ausprobiert oder besessen. Von seinem Kollaborationsverdacht im besetzten Paris der vierziger Jahre, auch Entstehungszeit seiner heikel-miesen Frauenakte in der Ausstellung, hat er sich laut FAZ zu Lebzeiten wirkungstechnisch nie wieder ganz erholen können. (Das ist inzwischen anders.) Picabias Nackte im Entree der Ausstellung auf Brokat-Tapete schliddern präzise um amouröse Weddinger Flohmarktschnäppchen herum. Vom pikanten Moderne-Hochverrat ist nur noch wenig zu spüren. Diese Mademoiselles haben ähnlich viel Sexappeal wie trockenes Baguette mit angemalter Menschenhaut drumherum.
Kippenberger als Titelspender bleibt mit seinen den eigenen Bildern ein wenig blass. Nur seine in Auftrag gegebene Fotorealismusbilder haben eine Charme, der sonstigen aktuellen Fotoopfer-Peinture abgeht. Sophie von Hellermann neben Polke zu platzieren ist taxierungstechnisch relativ mutig. In unmittelbarer Nachbarschaft kommt bei beiden plötzlich Fünfziger-Jahre-Atmosphäre zum Vorschein. Da bleibt dann deren beider luxuriöse Leichtigkeit eher beschaulich in Harmlosigkeit stecken. Peter Doig ist wie immer unspektakulär gut. Spätimpressionismus mit Symbolismusanteil wird hier zusammengehalten von etwas Posthippiesehnsucht. Eine der wenigen aktuellen glaubwürdigen Landschaftsmalereipositionen. Es gibt allerdings auch mutigere Bilder von ihm, wenn etwa manchmal plakafarbenartige Vorschulregenbögen hinter einer Leitplanke hervorkrabbeln. Dass seine Bilder in der Ausstellung neben Alex Katz zu hängen, zeigt nicht so viel hängetechnisches Feingespür.
Alex Katz malt so, wie er eben irgendwann beschlossen hat, für immer zu malen, und das ist nie unangenehm. Als stilisierenden Chronist eines prototypischen amerikanischen Societyflairs, das wie seine Malerei sehr lange nie einen Hauch von Zweifel kannte, kommt in seinen übercoolen Personenensembles jetzt etwas verloren Romantisches zum Tragen, einfach weil diese besagte Stars & Stripes-Unverletzlichkeit so nicht mehr existiert.
Glenn Brown ist unbestritten der Maximalmanierist nicht nur in dieser Ausstellungsrunde.
Er erfüllt bestens die berechtigte Sehnsucht nach Oberflächenmagie. Man weiß, es stammt von Menschenhand, es kann aber eigentlich nicht sein, und genau das ist das Beruhigende und Erbauliche, dass einer unserer Artgenossen zu dergleichen in der Lage ist. Er kontert in seinen guten Bildern Kitsch mit Hochleistungsmaltechnik aus, die dann auch den Nimbus von purer Handwerklichkeit abschüttelt. So kann er mit seinem altmeisterlichen Spaghetti-Farbschlierenvokabular auch den Selbstmord Guy Debords malerisch umspielen.
Eine Unterscheidung Glenn Browns trifft es ganz gut, die besagt, Malerei als künstlerische Praxis habe nie aufgehört relevant zu sein, zumindest nie für seine Betreiber, hingegen aber als Faktor für künftiges Weltkulturerbe eindeutig schon. Da kann man sich gut dran gewöhnen, wenn man es sowieso nie anders gekannt hat.

Ein vermeintlich unglücklicher Faktor erweist sich für die arme gute Malerei im Moment anscheinend als vorteilhaft: sie hat schon so viel (falsch) gemacht, wie kaum ein anderes Medium. Es existiert dort ein immenser Fundus an visuellen Errungenschaften, der einen entweder mit all seinen Vordefinitionen erschlägt oder mit dem man produktiv mit fremden Knochen Purzelbäume schlagen kann. Genau in diesem Punkt scheint sich etwas verschoben zu haben. War früher genau dieser Übermaß an omnipräsenter Altmeisterkraft etwas, das einem gern beschwerlich im Nacken und auf den Schultern saß, scheint inzwischen dieses kollektive Bildgedächtnis wie ein Backup-Katalog seine Zugriffsmöglichkeiten gelockert zu haben. Opensource statt Autoren-Copyright. „Selbst wenn man ein beschissener Maler ist, hängt an jedem Strich, den man macht, viel Gewicht von Bezüglichkeit. Der Trick besteht teilweise darin, das passieren zu lassen, alle diese Bezüge passieren zu lasen, ohne sich groß drum zu kümmern.“ (John Currin) Das überfrachtete Medium macht seine Verwender selbst zum ferngesteuerten Medium, aus dem wie bei einer Seance all toten unsterblichen Größen auch ein bißchen mitmalen dürfen, ohne den Hauptuser stören zu wollen. Im Katalogtext von Sabine Folie wird ein Erklärungsversuch unternommen, der in dieser Hinsicht dem Moment ‚Trash’ eine befreiende Wirkung zuschreibt. „Trash ist zur transzendentalen Notwenigkeit geworden; wenn wir schon das Diktum vom Ende der Malerei nicht mehr hören können, müssen wir akzeptieren, dass es Malerei ohne Trash nicht mehr geben kann.“ Dieses Denkmodell lebt von der Vorstellung, dass es final nötig war, die unterste Stufe der (Qualitäts-)Trittleiter kennenzulernen und auszukosten, um von dort aus, wie das bei John Currin, deutlich wird, auch nach Bedarf von Low- auf HighEndformat zu wechseln. Wenn es in den neunziger Jahren erfolgreiche Malerei gab, war für diese eine entscheidende Publicitybedingung stark vom Nichtkönnen aus zu operieren. „Wir sind nach dem Umweg des Modernismus nach Manet wieder bei Manet und den „anderen“ Möglichkeiten des Realismus gelandet.“ (Sabine Folie) Das klingt etwas zu sehr nach Abkürzung ganz ohne letztes Jahrhundert. Denn gerade wenn etwas an den teilweise ausgefuchsten Malerei-Manierismen in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle interessiert, sind es diese Stellen, die virtuos und mit Multiplexfaktor eben in jenen Modernismus-Teichen fischen gehen können. Das Stichwort „authentische Fälschung“ von Luc Tuymans läßt eine Möglichkeit ahnen, wie und warum der überbordende Malereifundus sich jetzt eventuell konstruktiver nutzen läßt: in dem Moment, wo man mit einem runtergekochten oder derangierten Selbstverständnis also abgespecktem Autorenmodell an die prächtigen Altlasten herantritt, umso weniger Benutzerzoll wird anscheinend erhoben.
Das Stichwort „authentische Fälschung“ von Luc Tuymans beschreibt gut eine innere Haltung beim ‚Autor’, die über interne Brechung und Bande funktioniert, von der aus interessante Malerei vielleicht am ehesten entstehen kann. Das Rollenmodell der Originalkraft hat sich in die eines rhetorisch überzeugenden Interpreten verschoben. Weil es sich im Schatten hunderter Originalgenies recht beschwerlich zu einem weiteren neuen mausern lässt?

 

Pressetext Nashville II

Hamburg-Harburg hat einen Kunstverein? Ja, einen schönen sogar. Während sich in Hamburg die Kunstinstitutionen schüchtern nächstmöglich an den Bahnhof herangepirscht haben, ist der Harburger Kunstverein mittendrin im Bahnhof platziert. Das war früher ein Wartesaal und ist reisetechnisch schwer zu toppen. Ab Sommer macht hier Nina Möntmann das Programm. "Nashville II" als Gruppenausstellung funktioniert so countrymäßig wie es klingt. Das großzügig lässige Raumkonzept von Ralf Lücke und Ralf Ritter macht die z.T. auch unterschiedlichen Positionen munter gesellig: Von Manfred Pernice ist eine seiner bewährten säulenartigen Sperrholzskulpturen zu sehen, deren kachelartige Bemalung sofort für U-Bahngefühle sorgt. Die runde Form korrespondiert nicht nur formal mit einer älteren Wasserstrudelarbeit von Markus Wirthmann, der die Wasseroberfläche wiederum in einer aktuellen Videoarbeit als Zeichenfläche mit ferngesteuerten Motoryachten ornamentalisiert. Franz Ackermann und Ralf Ritter bespielen großformartig verschiedene Mobilitätsaspekte. Sind es bei Ackermann überdimensioniert wirr abstrahierte Stadtpläne verkeilt mit Architekturklischees, werden von Ritter nahezu ehrfürchtig mit sehr viel Knochenleim preisgekrönte Motorradrennfahrer in Erinnerung gebracht. Eine echte ausgeliehene Ducati - Rennmaschine ("Not for highway use!") unterstreicht die eigene Special-Interest-Ambition. Weiter sind mit von der Partie: Egbert Haneke, Elisabeth Hautmann, Thaddäus Hüppi, Ralf Lücke und Gunter Reski.

"Nashville II"
17.5. - 7.7.2002
Es erscheint ein Katalog.
Kunstverein Harburger Bahnhof
Tel. 040 / 76 75 38 96 Geöffnet: Di-So 13-18 Uhr


ART online / Septemberr 2015

„Sehen ist heute eine Seltenheit“

Die SZ lobt den Film in einer Kurzkritik als „wunderbar augenöffnendes Künstlerporträt“. Ob der Film als Maler-Biopic wirklich so empfehlenswert ist? Wenn man sich in filmischer Entschleunigung üben will, dann ja. Im Vorspann hört man leise Graubners Stimme sagen: „Bei mir lassen Sie am besten alles weg, was ich gesagt habe.“ So selbstkritisch hab ich ihn nicht kennengelernt, als ich beim ihm in Hamburg studiert habe. Es gibt mittlerweile eine Art Staatsmalerfilm-Tradition siehe Richter- und Immendorff, die es auch in Arthouse-Kinos schafft. Wie lange dann eigentlich, davon ist selten die Rede. Wenn jetzt auch Graubner, wo bleibt der Lüpertz-Film? Gotthard Graubner ist bei allem Respekt weniger bekannt als genannte Künstler. Das kann sich natürlich ändern. Am ehesten kennt man eines seiner Bilder aus der Tagesschau, wenn der aktuelle Bundespräsident im Schloss Bellevue auf Sendung ist. Genau, dieses sehr große gelb-flirrende Farbquadrat oft im Hintergrund stammt von ihm. Graubner hat sich in seinem Lebenswerk gut fünfzig Jahre in einer Art künstlerischen Grundlagenmission ausschließlich der befreiten Farbe gewidmet. Also Malerei nur aus Farbe, frei von jeder Form. Wo will und soll die Farbe hin? Natürlich in ganz andere Bedeutungs- und Wahrnehmungsuniversen, so war mal die Hoffnung und fast ein Versprechen. Selbstverständlich haben sich dort bis Mitte des 20. Jhdts. Bahnbrechende/erhebliche Bildfindungen ergeignet, aber auf weitere überraschende Entwicklungsschübe wartet man seitdem hier auch eher. Das hat mit Graubner unmittelbar natürlich kaum etwas zu tun. Graubners Beitrag war in die maximal nachbarschaftliche präzise Farbnuance.

Der Film versucht dem „Farbraumkörper“ sehr andächtig und behutsam auf den Grund zu gehen. Diese Bezeichnung verwendete er ab 1970 für mit synthetischer Watte ausgepolsterte Leinwände, in den die Farbe zwangsläufig gewissermaßen versackt, was der Farbe eine subtile Tiefenwirkung ermöglicht. Auf dieses Phänomen stiess er, als er sich mangels gefülltem Portemonnaie selbst große Pinsel aus Schaumstoff herstellte. Man erfährt, dass entgegen allgemeiner Einschätzung unzählige viele dünnste Farbschichten bzw. Lasuren für Graubners Malprozess meist unerläßlich sind. Filmszenen, die ihn bei der Arbeit zeigen, kommen nicht zu knapp vor. Das sieht meist recht entspannt aus für einen Achtzigjährigen, auch wenn oft von höchster Konzentration die Rede ist. Sehr imposant hier die anderthalb Meter langen Pinsel, mit denen Graubner die mehreren Quadratmeter Bildfläche bearbeitet. Hier schwirrtt unweigerlich Paul McCarthy ultimative Malerveralberung („Painter“, 1995) wie eine verirrte Rückkoppelung durchs Bild. Die Malbewegungen erinnern auch an Gärtnertätigkeiten oder wie wenn man beherzt einen Fleck wegschrubbt, also quasi invers eine ähnlicher Vorgang, obwohl so energetisch, geht es hier nicht zur Sache.
Warum haben Künstlerfilme immer so einen huldigenden Widmungstouch ihren Sujets gegenüber, fast wie man sie auch von der Berichterstattung über europäische Königshäuser kennt? Insbesondere bei Malerporträts wird das gern noch salbungsvoller. Jede Menge gedruckter Biographien erscheinen ohne Einverständnis des Objekts ihres Interesses. Zumindest ist hier so eine distanzierte Bestandsaufnahme gegeben. Anscheinend kommt man nur mit einem Megapack Komplimente in die Ateliers, was widerum an den monomanischen/egofixierten Künstlerrollen der Moderne liegen mag, bzw. dass diese noch so ernst genommen werden.

Auf einen bestimmten Künstlernamen wartet man den ganzen Film vergeblich. Vielleicht noch der subtilste Spannungsmoment im Film. Es kann nicht sein, daß der amerikanische Kollege Mark Rothko hier komplett unerwähnt bleibt. Wenn jemand essentiell den Farbraum per se in der Moderne durchgesetzt hat, dann er in den vierziger Jahren. Und es kann nicht sein, dass sein Werk das von Graubner nicht beeinflußt hat. Wie auch immer. Oder Ad Reinhardts Farbvaleurs wären für eine vergleichende Zwiesprache bestens geeignet gewesen.
Stattdessen tauchen im Sinne zeitgeschichtlich künstlerischer Einflüße nur Konsensklassiker wie Monet, Slevogt, Corinth, van Dyck etc. auf. Ganz zu schweigen vom möglichen Einfluß Graubners auf nachfolgende Malergenerationen.
Ein vermeintliches Grundübel in Graubners Welt zeigt die Kamera, wenn sie eine Busch-und Baumlandschaft abfährt. Es geht um diese Unmenge an unterschiedlichsten Grüns und das heute niemand dieses „Konzert oder Streichquartett der Farben“ mehr gebührend wahrnehmen kann. Wenn diese „Verarmung des Sehens“ tatsächlich das Hauptproblem dieser Welt wäre, könnten wir wirklich alle selig über die Wiesen kullern. Natürlich kann auch nicht jedem Protonenforscher vorhalten, mit seinem Forschungsgebiet liesse sich nicht der Nahverkehr optimieren.

Zum Ende des Films, wieder eine Atelierszene. Graubner hält beim Malen inne, meint auf die Frage, ob er jetzt über das Bild nachdenke: „Das Bild fragt auch, nicht nur Sie. Die Fragen sind mir noch wichtiger, Entschuldigung.“ Immerhin hübsch arrogant charmant auf seine Art.


Eugen Schönebeck
»The Drawings«
Nolan Judin, Berlin
14.1–25.2.2012
Spike Art Magazine

„Als der Wind noch die Richtung bestimmte, und nicht der Mantel“ (1)

Eugen Schönebeck war zu Recht lange Zeit für viele junge Malergenerationen ein Geheimtip und Hoffnungsträger ohne jede Hypezyklen. Über dreißig Jahre kannte man nur ein, zwei seiner Arbeiten von Großausstellungen wie „Deutschlandbilder“ (1998 im Berliner Gropiusbau) plus einigen vielversprechenden Abbildungen aus vergriffenen Katalogen. Manche nahmen ihn als eine Art besseren Schatten seines Zeitgenossen Baselitz wahr, den man mangels besserer Beweise wahrscheinlich unterschätzen musste. Durch die Nichtpräsenz verkörperte sein Werk ein beachtliches Versprechen auf eine betörend verstörende Malerei irgendwo gut versteckt in fest verschlossenen Lagerräumen. Nach einer relativ kurzen Schaffenszeit von knapp zehn Jahren stellte der damals 31-jährige Schönebeck seine künstlerische Tätigkeit 1966 ein. Mangelndes Interesse des Kunstbetriebs kann nicht der Grund gewesen sein. Die Galerie Michael Werner hatte ihn im selben Jahr unter Vertrag genommen. Schon die umfassende Retrospektive vergangenes Jahr in der Frankfurter Schirnhalle zeigte Schönebeck eindrucksvoll als bisher unterrepräsentierten, aber entscheidenden Faktor in der deutschen figurativen Nachkriegsmalerei, mit dem sich dieser Teil der Kunstgeschichte noch mal neu sortiert. Sozusagen in Ergänzung waren jetzt in der Berliner Nolan Judin Galerie Schönebecks Zeichnungen umfassend in einer museumsreifen Ausstellungspräsentation zu sehen. Die Galerie ist mittlerweile zu einer der profiliertesten Programmgalerien in der gerade bröckelnden Berliner Galerienlandschaft geworden.

Federführend in der Nachkriegs-BRD der fünfziger Jahre war eine Abstraktion zwischen Tachismus und Formalismus. Jemand wie Ernst-Wilhelm Nay galt als Nonplusultra in der bundesdeutschen Kunstszenerie. Die abstrakte Kunst, als kultureller Exportschlager der freien westlichen Welt, passte hierzulande mit ihrer immanent bedingten Sprachlosigkeit auf andere Art gut (als in Amerika) in den gesellschaftlichen Konsens über eine stillschweigende Verdrängung deutscher Kriegsverbrechen inklusive Holocaust.

Bei Schönebecks Zeichnungen ist aufschlussreich zu verfolgen, wie er schon als Kunststudent souverän verschiedene mögliche Abstraktionsgrade erprobte und hinter sich ließ, um sich schrittweise zielsicher zu jener Figuration durchzuarbeiten, die in diesen Jahren das abwegigste war, dem man sich widmen konnte. Anfänglich ist es nur eine angedeutete Landschaftlichkeit, die in van Goghschem Fleck- und Klecksgewitter zart durchscheint. Ab 1963 bilden kreiselnde Kringel- und Krakelgespinste bezaubernd wirre Wesensformen, von irgendwo weit her, aber wohnhaft in Jedermanns Abwegigkeiten. „Auch hier ist ein Organismus, der sich in Volumen ausdrücken will ... Ein Zitieren von Gegenständlichkeit in Strömen. Und vielleicht eine Prise CoBrA andeuten.“(2) Parallel dazu entwickelt Schönebeck humorig auch groteske Figurationen, die entfernt an abstruse Körperkonstrukte von George Grosz denken lassen, und mehr auf isolierte Linienführung anstelle eines zeichnerischen Geflechts setzen. Mit den letzten großformatigen Porträts (von Majakowski , Jewtuschenko ...) wiederum findet er dann zu einer verblüffend malerisch flächenbetonten Zeichenmethode, die nahezu deckungsgleich den hohen Qualitäten seiner gemalten Konterfeis entspricht.

Gemeinsam mit Francis Bacon, Alberto Giacometti und Georg Baselitz steht Eugen Schönebeck heute für ein realistisch geschreddertes Menschenbild einer desillusionierten europäischen Nachkriegszeit, als damals sozusagen jeder Mitbürger unbewusst einige Kriegsleichen mitten in seinem Gesicht auf offener Straße spazieren trug. Wenn man plötzlich derlei pathetische Sätze wie ein grimmiges Mahnmal schreibt, kann das nur an der suggestiver Qualität von Schönebecks Werk liegen, das den Betrachter unwillkürlich in jene verstockte Adenauer-Zeit der frühen sechziger Jahre zurückführt. Natürlich könnte man Schönebeck ebenso gut als existentialistischen Pop-Maler loben, dessen grotesk-massiven Körperantlitze auch posthumane Befindlichkeiten unserer Gegenwart vorweg genommen haben.

(1) & (2) Eugen Schönebeck im Interview; Katalog zur Ausstellung

 

Katalogtext
Martin Städeli, "Gotodotodotodot", Revolver, 2009

Dreihundert Briefmarken übereinander und Adressat unbekannt

Eigentlich habe ich etwas lange gebraucht um zu kapieren, was auch einen hintergründigen Spannungsmoment dieser Skulpturen ausmacht. Mit Aspekten der hinteren Priorität führt man eigentlich besser niemanden ein, dessen Kunst so bemerkenswert wie unterschätzt ist. Ob Martin Städeli sich freut, wenn man dazu Skulpturen sagt, ist auch noch die Frage. Es ist ganz banal. Man hat immerfort leise Angst vor Feuer, das ratzfatz wie ein ungebetener Überraschungsgast freudig durch die Tür prescht. Man könnte auch bange sein vor gefräßig mobilen Altpapiercontainern, aber das ist es weniger. Das Rascheln von so viel altem Papier und das Knistern glühender Holzscheite liegen im imaginären Schallraum sehr dicht beieinander. Vielleicht kann der hohe Isolationsfaktor von Papier bei dermaßen vielen Zeitungsschichten übereinander möglicherweise sogar für eine Selbstentzündung sorgen. Auf alle Fälle dürfte es in den Skulpturen innen kuschelig warm sein.

Brüchig, filigran und auch präzise. Und immer sehr viel. Aber nur im Studio. Im Ausstellungsfall ist eine dezidierte Leere im räumlichen Passepartout der bessere Partner. Und endlich mal jemand, der wirklich keine Outputprobleme hat. Städelis beide Ateliers sind immer so effizient vollgestopft, dass man sich eher nicht ebenerdig hindurch bewegen sollte. Für den Künstler ist das natürlich kein Problem. Mitunter nimmt man als Besucher selbst die flatterhafte Züge der beäugten Wesensdinger an. Aber nur, wenn es keiner sieht. Vormittags immer in Kreuzberg, nachmittags ist dann das Atelier in Mitte dran. Egal wo, die Atmosphäre schmeckt nach wuchernder Lagerhaltung oder geduldige Versammlungswesen mitten im kleinen Aufbruch. Dieser geht in einer Art natürlichem Wachstum vonstatten. Wer alle zwei Wochen vorbeikommt, kann seine Wahrnehmung auf die harte Probe stellen, ob er wirklich erstens überhaupt und zweitens die entscheidenden Veränderungen bemerkt. Meinerseits wäre es schwer vorstellbar, mich überhaupt zu erinnern, welche Baustellen vorgestern dran waren und wie da was vonstatten gegangen ist.

Paul Thek und Arte Povera kennen alle, und schätzen viele auch zu recht. Eine Verbindung von Städelis friedfertigen Splatterblätterwesen ist nicht zu leugnen, hat aber nichts mit verwandtschaftlichen Genealogien oder bedächtigem Referentialismus zu tun. Das macht der kleine angenehme Schreck bei jeder Wiederbegegnung mit seinen Arbeiten immer wieder klar. Es geht nicht um Verfall oder modern(d)e Ganzkörpermodelle. Eher wird hier auch die klassische Innen- und Außenfrage drastisch neu verhandelt,, die dringend eine neues Wort zwischen innen und außen braucht. Inßen oder aunnen? Klappt noch nicht so recht.

Arte Povera pflegte und kultivierte neben provokant armen Materialhaushalt auch die simple Verarbeitungsweise. Pferd frisst Kohle, Astwerk hält Glasscheiben fest oder möchte doch lieber als Fensterrahmen wiedergeboren werden. Und Paul Thek wollte auch einfach mit seinen fleischigen Werk-Anteilen zeigen, welche amorphe Wahrnehmung Donald Judds zackig ultimativer Reduktionismus eigentlich so schmerzhaft aufgeschrammt hat.

Im Gegensatz dazu ist bei Städeli ein langwierig komplexer Formungsprozess am Start. Manchmal werden rund fünfhundert Zeitungsschichten übereinandergebappt. Die besten Bücher werden von ihren wirklichen Verehrern ja auch Seite für Seite zugeklebt. Es erinnert entfernt auch an einen mehrfach adressierten Briefumschlag mit fünf Zentimeter Briefmarken in der Vertikale. Im Moment des Sezierens, ohne das es zuvor etwas ganzheitliches zu zerlegen gegeben hätte, wird wucherungsartig etwas konstruiert. Schichtung und Häutung produzieren sich im Wechselspiel. Es ist  ein additiver irreversibler Vorgang, der partout kein Undo kennt. Bitte nichts über Zwiebeln schreiben, war auch ein Wunsch.

Vor zehn Jahren sahen die Papierwesen von Städeli aus wie Pappmacheeversionen frisch eingeflogen vom Planet der Affen. Merkwürdigerweise hatten alle einen bestimmten Haarschnitt. Und schauten versonnen bis irritiert im Schneidersitz oder als Bodenhocker auf farbfrohe abstrakte Farbschlenkereien. Man kam rein, sah die da hocken und dachte, ah, gut, schon genug Besuch da.
Bei den Arbeiten der letzten Jahre denkt man eher an Recycling-Figuartionen, die kontrollierte Teil- bis Ganzkörperexplosionen hinter sich haben. Die richtige Mischung zwischen Implosion und Explosion ist hier ausschlaggebend. Deutlich figurativ geht es in letzter Zeit eher selten zu. Es geht jedoch nicht um Zerstörung. Es geht um eine Art bessere Gleichgewichtung von innen und außen. Umkrempelungsartig.kommt so stellenweise eine räumliche Twilightzone zustande, die sich am ehesten mit dem changierendem Wechselspiel von Vorder- und Hintergrund bei Malerei vergleichen lässt.

Vielleicht kann man auch soweit denken, dass einfach bei eine solchen Unmenge an Zeitungen auf engstem Raum, diese jeweils recht beträchtlichen Informationsträger eigendynamisch anfangen miteinander zu reagieren. Das erste biologische Leben entstand auch nur durch die Verhedderung einiger Mikrofussel unter Wasser. Woraus sich dann so eine Art Wesenhaftigkeit zusammenflattert  oder klumpt. Allerdings, obwohl schon einige verarbeitete Zeitungsseiten nach wie vor lesbar sind, kümmert man sich wenig um solch halbalten Headlines. Mit bildnerischer Infoverdichtung hat das weniger zu tun, auch wenn es sich eigentlich um nahezu ideale, weil sehr wörtlich genommene Informationskörper handelt. Und das Missverhältnis flüchtiger Schlagzeilen mit einer Lebensdauer von zwei Atemzügen und Städelis ausgefuchst konsistenten Formungswelten lässt diese Arbeiten immer mal wieder einige Zentimeter über dem Fußboden schweben, wenn man im richtigen Moment hinschaut.
Oder man stellt sich einen dieser künftigen 3D-Drucker vor, die problemlos jede Schwiegermutter 1:10 ausspucken, vielleicht für Voodooattacken. Solche künftigen Hightech-Tools dürfte aber kurz vorm `Druckjob´ angesichts dieser feinteiligen Skulpturen wirklich der nackte Angstschweiß packen.

 

(Catalogue "Difference, what difference",
Artforum Berlin, 2008)

Painters Were The First Nerds

Let’s imagine there was no painting at all anymore. Immediately, a void gapes in one’s heart, twice as big as the heart itself. Okay, not in everyone. It makes no difference to 98% of the people who use the sidewalks. But in every art supply store, the register immediately begins trembling. Without every piece of stretched and painted canvas there would be a lot more lovely, empty, white walls. Sales of creeping plants would increase rapidly. Plenty of gene-manipulated ivy would be launched, accelerated by research technology. Or, in despair, the people with a horror vacui in regard to their furnishings would immediately hang all their carpets on the wall and have their family photos massively enlarged. Grandpa, who always hit me, three meters high? Almost two hundred museums in Germany would be top locations for up-market gyms, exclusive meditation centers, and of course plenty of mosques. A few Catholic Churches might also still join in, but they surely wouldn’t keep up for long, because their Christian wingding simply doesn’t function without images. Mapplethorpe, or whose photos should be hung? Oh, better not. Some museums would make a virtue of necessity and bank on streams of visitors with the label “painting-free”. Art colleges all over the world would lament the loss of a very low-priced course of study.

If this mental exercise soon becomes reality, one will then pensively recall: yes, there were these short sticks with odd hair growing on them, they were even barbered, and if one moved them long enough back and forth over smooth surfaces, oily stuff flowed out of them. When it dried, sometimes a pictorial impression remained. Even in memory. Yes, with a distant resemblance to an ink-jet print.

A vaguely billowing entity like humanity quite rightly desperately seeks abilities that could lend the friendliest possible legitimacy to its planetary effects. One would prefer not to show toxic waste dumps, millions starved to death every year, Windows, ozone holes, and Guantanamo to Uncle Extraterrestrial, should he indeed come for a visit. But a little piece of virtuoso painting and simply hold up one’s hands and nod in confirmation; yes, those would be the body tools to clarify the short path of production, showing that on this real estate—the world with its various dreadful states of affairs—a good center occasionally flickers.

That painting is still considered the most commercial medium in current art developments puts it in a somewhat delicate position, and not only in the framework of this exhibition. Some people, at least, see it that way. Between the poles of discourse and market, if they can be so strictly distinguished, painting has at any rate clearly moved toward the latter since 2000. Or has in part merged seamlessly with it. Earlier, a number of fields of discourse didn’t want to have it, or only as an undesirable, remote-controlled source of key words—so where should it go? When painting from a certain region is blindly ordered by the container or when a painter must think at each brushstroke, ooof!, another five thousand more in my account per flick of the wrist, oh shit, the taxes, what am I doing, the waiting list may meanwhile already pay via live broadcast, then on the one hand this is fun gaga decadent late capitalism, but on the other hand it is cause for concern. Why?—See a few paragraphs down.

The term “commercial” already contains a dollop of the culture of prejudice, making use essentially of unbroken strands of 1970s argumentation. For example, when one’s own credentials as a progressive could be proven by excluding certain media. Or key words like retinal art, luxury poster, and more. The arguments against painting often seem almost more old-fashioned than the current painting they criticize, even if this painting also prefers to drink at old sources. Our cultural epoch, after all, is called “waiting room”. And unfortunately the doctor already absconded a few decades ago. But perhaps everyone is sitting in a law office for the resolution of endless inheritance issues.
Let’s put it this way: the aforementioned successful commodity form of painting was not always especially helpful for its substantively broad-spectrum discussion. As far as I know, ultimate key texts on the most recent painting have not been written for a good twenty years, or were simply not needed: either because the art that was made was simply redundant or because a theoretical preparation had long since grown superfluous as a way of prevailing on the art market. So: everything that sells so well that several billions change hands at auction each year, must have been correspondingly fudged into streamlined shape, such a talked-to-death cliché, with which every interesting depth or substance is automatically excluded. Populism-versus-elite is the bloc-formation a few sentences later and in the next sentence: thank God, they’ve all fallen asleep for boredom. And dream that cumbersome institutional artists and immaterially-oriented reference philistines are true heroes of content.

So-called media discussions that coupled a certain timeliness to certain cultural techniques—as today one cannot activate any humanity-rescuing statements with the mouth or hologram anymore—rightly seem a part of the past. No matter what something was made with, the main thing is that it’s interesting. That’s how it was in the golden nineties. But painting was hardly there and when it was, then only in combination with installation components. See positions like Michel Majerus, Karen Kilimnik, Franz Ackermann, or Lukas Duwenhögger. In the early 1990s, intense little-treasure-chest positions like Marlene Dumas or Elizabeth Peyton were exceptions threatened with rapid forgetting. The tendency since the painting boom is the spread of guild thinking. Is it painting or art? The question likes to sputter up again. Well, the Cold War is beginning elsewhere again, too. When graying ideology-remnants take the field against Darwinistic faith in the market, all there can actually be is two losers. Like two outmoded models of pensioner who have no one else to beat up. All in all, the great public respect for painting in recent years can also be attributed to the other fields of art, because they have not been able to produce anything with punch and hype potential. Aside from that: this painting boom has probably been over for a year.

The distinction, familiar for the last few years, between art-market art and biennial art shows further that here something has shifted, and not necessarily for the better. Whereby some curators try to move away from an infectious commercialization of the biennial sector as a fresh meat sector by occupying this supposedly more substantive exhibition format with a posture of increasing refusal. The least possible attractiveness as an attribute of quality. At the last Berlin Biennial, there were absolutely no visually striking exhibits that would have had enough media oomph for any title page, at least not in the press kit. If this trend continues, one will soon be able to speak of Bad Curating as a late correspondence and elective affinity to Bad Painting.

If the point here is also the relationship between substance and salability, the question immediately rises: Who, then, are the five most interesting discourse painters? If the label exists, and even if certainly no one wants to fit it. Sitting on the fence, one always falls a storey lower. Tactical or honest answer? There are only four: Michael Krebber, Paulina Orlowska, Lucie McKenzie, and Dierk Schmidt. It could also be Luc Tuymans, Wawa Tokarski, Martin Kippenberger, or Johanna Kandl. Historically it is a bit simpler: Elaine Sturtevant, Jörg Immendorff, Richard Hamilton, and Mister Buren. A cliché about discourse or context painting is its conscious renunciation of sensuality. That has let up a bit in recent years. Such painting positions are also less rejecting of cosmetics. The distinction between a distanced and an unbroken relationship to the medium employed might be better. A consciously controlled use of painted surfaces to make specific substantive aspects impressively visually clear—Remote Control painting functions approximately like this. Nothing can really go wrong, presupposing a certain degree of craftsmanlike virtuosity, which is often rendered unemployed by aspects of tension, however.
In general, the hierarchy / ranking between intention and execution is probably decisive. If the intention or message to be packaged is animated by at least twice the truth content, then a burdensome routine-blinkeredness toward so-called pictorial aspects comes into effect. This is one of the reasons why good leftist art is unfortunately rare. Precisely in a medium with extreme inherent dynamics, like painting, the means used often function more like a very emancipated car that knows a better route to the destination than its driver.
The problem constellation here is, so to speak, a newscaster in two roles at once: he announces a (mis-)deed at the very moment he carries it out. A so-called genuine painter would rather doubt himself a thousand times than to abrogate the medium that provides his identity. He can’t estimate the quality he has just fabricated, anyway. Formal smurf versus content lackey would be the next lose-lose situation here.

If the advent of industrialization signaled the first death of painting, then, since the postindustrial society has now long been trying to sort itself out, one could also simply note that, without classical industrial society the life-threatening circumstances perhaps simply no longer exist. Unfortunately, this is conceived a little too simply system-immanently. But one must always watch out that one does not die of symptoms that are no longer present. Artists of the Pictures Generation (Ross Bleckner, Phillip Taaffe, Peter Halley...) were able to take up their brushes only because of such displaced basic constants à la simulacra, etc., whereby it turned out that thoroughly distanced fake positions can develop their own aspects of qualitative authenticity. Not identifying with the medium can also have very productive characteristics.
The so-called success and the desire for contemporary painting can be traced primarily to a massively increased desire to impress. Of course, an expansive art market results in more painting. Second, it was also decisive that Sotheby’s and Christie’s grew more committed to contemporary art. In 2005, for the first time, more money changed hands at auctions around the world for contemporary art than for Classical Modernism. Impressionists or Cubists, dealt as blue chips, are a secure investment, but with surveyable profit margins. By contrast, immense jumps in price beckon at all times with fresh contemporary artists, as was recently shown with Lucian Freud and Peter Doig. It seems to be a historical constant: the more or the fewer truly rich wealthy people whom the world situation “allows”, the more sales flourish. Considering the ultimately very low production costs of painting, this preference is actually absurd, if it plays no role whether five- or six-digit sums are invested. Here it would seem more logical or also more honorable to make possible more expensive projects or film productions. But unimagined successes in speculation with painting were already achieved as early as 1914, with larger profit margins than were possible at the time with any other speculation object, such as gold. Can one reproach someone for always having customers who are too wealthy? Every million that is spent on art is a million that cannot be invested in the arms industry. But if the work of art is sold again for a profit, one has at least a million more to buy weapons with. That certain status-hungry circles came to painting at all cannot be attributed solely to the neo-liberal mission “make the rich even richer”, but also to a certain degree to painting itself. The use or rehabilitation of craftsmanship and ability, as well as the dramatic extremes of the income curves that approached each other worldwide at about the same time. In the West German era, to be a highly gifted painter was almost the worst thing that could happen to someone. The desire for identity design on the part of customer strata that were increasingly above it all did not necessarily have to be satisfied with painting. It would also have been imaginable that the new generations of collectors, in particular, could have concentrated on photography. For hedge fund managers, who meanwhile supposedly account for about half of the art market, the point is only wall power, anyway.
In principle, more money should be no problem for any of the more or less involved, if a progressive commercialization did not entail its own familiar laws of momentum. For example: if the moneybag is stuffed full enough, the amount falling lower increases proportionally. Yet another popular misconception. Money, as the prototypical exception to the rule, always falls upward. The point is the dollar signs in the eyes. They don’t stop for anything. Just as one cannot really pin down the difference between two and twenty million, these abstract sums eliminate every formerly decisive substantive accompanying phenomenon. Are plus or minus dollar signs burned into your retina? Are twenty or thirty artist millionaires already walking around Berlin as conspicuously serious professional youths? One explanatory model says, vice versa, that such a sellout can happen at all only because a lasting crisis of meaning and goals is spreading in visual art after the collapse of the avant-garde logic. That is precisely why this paragraph sounds so tense. If one wants to really disinfect a genuine content vacuum, one need only blow a few double-digit millions through it. Truly self-cleansing forces would be better, but they don’t exist anyway. This is not simply stomach flu.

 

About: Bodil Cecil Pause / Katalog Final Year Show / Academy of Fine Art Oslo, Norway / Sternesen Museet Oslo

Es geht um Momente. Momente sind eine flexible Zeiteinheiten, die mitunter die Zeit anhalten können, auch wenn die Zeit selbst das vielleicht nicht bemerkt. Ob das gelingt, entscheidet jeweils die Wahrnehmung. Wenn der Bus nicht kommt oder wie schön es sein wird, wenn der Schmerz doch noch nachlässt. Momente sind der Bruder Leichtfuß im Universum der redlichen Zeitmessung. Gefühlte Temperaturen kommen im offiziellen Wetterbericht auch immer öfter vor.

Bodil Cecile Paus ist ein Spezialistin für scheinbar unspektakuläre Momente. Ihre Bilder zeigen beiläufige Alltagsituationen, in denen sich explizit nichts dramatisches anbahnt oder dergleichen geschehen ist. In einem Gasthaus ein Kellner mit Gast oder andersherum ohne direkte Interaktion. Mit Sicherheit wird man hier von keiner drastischen Aktion überrascht. Das Drama muss woanders parken. Trotzdem schwingt immer leise nennenswertes soziales Randgeschehen mit. Ein Paar steht zur Abkühlung im Mittelmeer und schaut zum Horizont. Der Mann hat das Handgelenk der Frau fest im Griff, wie um ihre Aufmerksamkeit auf etwas bestimmtes zu lenken. Vielleicht wegen Quallen oder spitzer Steine im Wasser. Die Bestimmtheit, mit der die Hand des Mannes zugreift, spricht leise Bände über die Beziehungslage des Paares, zumindest für diesen Moment. Oder beim Rollengefüge zwischen Gast und Servicekraft blitzt dezent die ewige gegenseitig geschulte Ungeduld mit auf.

Auch wenn ihre Bilder auf Fotografien basieren, verdeckt die Malerei hier eher einen möglichen Realismus der kleinen sozialen Unebenheiten. Was vermeintlich stark nach soziologischer Bildwirkung klingt, wird in den Bilder jedoch ins Subtile abgedrängt durch eine überaus konzentrierte Machart. Die Machart signalisiert: hier geht es primär um Malerei, wie sich ein Motiv durch Pinselkraft überaus verdichtet und intensiviert in Richtung Stimmigkeit aufladen lässt. Das ´Was` wird durch das ´Wie´ interessant gemacht. Der Pinsel sieht manchmal mehr als jede 20 Millionenpixelkamera erfassen kann. Gerade durch omnipräsente digitalen Bildwelten sind vermeintlich althergebrachte Bildgenerierungen im Kontrast wieder interessant geworden. Malerei kann mitunter eine physische Präsenz auf der Oberfläche kreieren, deren spürbare Körperhaftigkeit auf der Netzhaut etwas entscheidendes auslöst. Dagegen wirkt jede pixelbasierte Bilddatei wie frisch überfahren, eingeebnet und weggesperrt hinter einem unsichtbaren virtuellen Schutzwall. Oder auch alle Pixel tragen ein Präservativ.

Welche Verdienste man auch immer man der Postmoderne zuschreiben mag, sie hat zumindest eine vielfältige Koexistenz unterschiedlichster Qualitätsparameter ermöglicht. Es gab ja mal eine Zeit, da war malerisches Talent und ausgefuchstes Handwerk der Todfeind interessanter Malerei. All diese Seitenwege und Neubaustrecken (ohne gesichertes Können) hin zu intensiven überraschenden Bildlösungen mit der Hand gemacht scheinen immer mehr ein Schwerpunkt des vergangenen Jahrhunderts gewesen zu sein. Jedenfalls seit der Jahrtausendwende hat das traditionell gut gemachte Ölbild sich wieder zu recht einige Aufmerksamkeit erkämpft.
Bodil Cecil Pause interessiert sich wie nicht wenige ihrer Generation nur für die ursprünglichste Form solcher Qualitätsmaßstäbe, das ist ganz schlichtweg die bestmögliche. Etwas kann eben so gut gemalt sein, dass sich die U-Bahn nicht mehr traut weiter zu fahren und auch alle anderen Fragen sich vor Schreckrespekt in begeisterte Luft auflösen. So was dauert mindestens ein Jahrzehnt. Luc Tuymans sagt, er habe zwölf Jahre gebraucht um seine erfolgreiche Malmethode zu entwickeln.

 

about: Andree Korpys / Markus Löffler

On the Far Side of the News

Free Jazz Reportage as Representational Critique?

These never-ending, supposedly baffled questions – not just from art students and oneself – what art would have to do and be in order to make a difference or to be more socially relevant. Similar questions never cease to plague Germany’s Federal Presidents. As for representation, art and the Federal President share a cosily common fate, something they are probably too little aware of. One need only take a look around and see what relevant cultural tasks are or can no longer be served/covered by the original vehicles and disciplines. One soon ends up with quite a lot, and knowing where to start isn’t easy. This is not to say that Fassbinder would be a video artist today or that Günther Wallraff would be called Santiago Sierra or even Andrea Fraser. Her development has been quite different anyway.

Labelling these cultural fallow lands experimental Autorenfilm, borderline journalism and poetic documentary is to rough out the areas artist duo Korpys/Löffler have been successfully addressing for nearly ten years now. This describes the formal, organizational structure in which their works seek their respective thematic bearings. But the works as exhibited evince a further meta-structure, a sort of higher “time-puzzle”, which probably can never be solved down to the last detail. That, however, is something most time-puzzle fans can’t do either, which doesn’t stop them revelling in their inability given half a chance. The exhibited elements comprising the ostensible “puzzle park” are not at first sight clearly related, but are sometimes associatively, sometimes thematically linked. They never quite add up. Allusion is more important than message. Sense tends to be strewn radially in numerous directions. Which is also why the sun looks the way it does. Classical secrets production comes into play here too. Their exhibition arrangements work with multiple installation components. As will be described in greater detail, a central video generally constitutes the thematic starting point. Around this, as a kind of backing or enhancement, photo and drawing interfaces provide associatively or thematically related contexts, which can also be sculptural. A tree-like sculpture with ingrown figures thus stands in an authentic relation to a video realized by common or garden trespassing. As for media employed, form follows content in typically post-modern fashion. Use of materials is relatively universalistic. The prima facie complex and unglossed range of perceptions offered, and their diversified wealth of meaning, is a pleasant contrast to the didactic-seeming 1:1 subject treatments often met with in the installation trap.
Now and then with Korpys/Löffler the elements interlock more complexly. Thus in the work “Digging Deep” the modernist-looking wooden container knocked together while the film was being shot functions both as a classic exhibition piece and as a threadbare excuse for realizing something as close to Stammheim prison as possible. “Realizing” here means creating a concrete social presence, a lived site-specificity facilitating close interview contact to residents and neighbours from the adjacent allotment gardens in order to generate film material, which then flows into the “major work”, i.e. the film.

Korpys/Löffler’s works first impressed me in the early or mid-Nineties. At the time there was relatively little art that was both deliberate and accomplished in its use of political materials. On the established art scene there was less still. And there was even less art of a politicised kind that was not overbearingly moralistic. Today there is considerably more, which doesn’t necessarily make it easier or better. On the one hand because a fearfully boring kind of socio-critical standard has established itself at every biennial in the world and is becoming for artists and viewers more and more a routine indulgence like churchgoing. On the other hand, and why not, there are enough so-called formal construction sites that, again, have bored for far longer than these two or three years of social-studies-good-guy art. The artists described here leave meanings far too open, are too sorted out and up-front in their ambivalence for such reflections/professions of belief.

Since relatively early on the two have usefully addressed a complex of German themes round the RAF. Competition was and remains negligible. Useful here means not kitschily middle-class intellectual or prey to obsolete ideological vices. That was before this kind of chic radicalism became the centre hip consensus topic, not that plus points for pioneership are up for grabs. Starting point were BKA photos of a flat (and its décor) in which suspected RAF members had hung out. With the aid of these a commissioned interior design bureau drew up plans of rather sparse student IKEA décors. One such interior was then faithfully constructed in a studio only to be vigorously and completely destroyed, as possibly occurs in the wake of an all-too-thorough search. That such dubious methods exist is an imaginary centre of this work, flanked in its exhibited form by high-end photos of the destruction and the design bureau’s drawings. Hard though it is to imagine with such a burdened theme, the work gets by without opinion-voicing or side-taking. Detectable in the photos is both the loving care with which furniture was arranged as well as the enormous fun had in smashing it. This part of the work hereby liberates itself agreeably from the morally encumbered topic RAF, no matter which side one might be on. At the same time, attention is also drawn to the boorishness of these over-mystified figures’ conspiratorial ambience.
Destruction of a flat is an occasional stylistic device for Korpys/Löffler. In a more amusing, architecture-analytical case an entire interior is dismantled in accordance with the architect Oswald Mathias Ungers’s building block construction method.

Considered as research art, Korpys/Löffler’s works address relatively popular subjects, in contrast, say, to the culture-historical chocolate studies of a Christian Philipp Müller. Politically acute current events are a frequent common denominator of their themes whose initial choice follows principles altogether editorial, albeit with a dose of special interests and a flair for timing. The relatively high degree of public interest elicited has to do with the fact that the settings are non-public or screened off. It can be a prison, the American President’s state visit to Berlin, the site of an RAF attack, a world court hearing with Milosevic, or a deserted, sealed off Allied anti-guerrilla training camp in Berlin – original scenarios one and all that average tax-payers can access at most only via the popular press. I mean they could really have stripped a button off Bush and one off Henkel and sewn them back on in Stammheim.

Bringing Korpys/Löffler into relation to other named figures, the network of fellow artists might include Fareed Armaly, Gus van Sant’s “Elephant”, let’s see, Jeanne Faust, Andres Veiel, Andrea Fraser and Harun Faroucki. They would be centre left, in the visually stronger corner. Insofar as their work is referential it tends to be film- rather than art-immanent. In reply to the question who their favourite artists are, one hears that they are all already, alas, dead. As an example of their style of institutional critique one might cite “Tweedy” (Kunstverein Bremerhaven, 1995) – one of these huge, classical drawing chests that decisively block a corner of a Kunstverein for years. For the exhibition it was simply moved into the opposite corner. The exhibits? The grey zones, dust films and fluff balls one often intuits the instant one sets foot in such institutions, and that were brought to light. As good or bad luck would have it, depending, they also found a dead bird lying in the corner.

Starting point for Korpys/Löffler’s works are generally the documentary film material already referred to. Customary expectations regarding edited documentaries are countered by unspectacularly picking apart narrative strands and by all kinds of deliberate irrelevancies. Of course, the better documentaries know that in the very act of documenting they are, at the least, changing the recorded reality/material, so from the start anything but a comprehensive picture tends to be sought. On the one hand the films exploit disappointment – Hans-Olaf Henkel naturally comes out with few intimacies, unless we count his repeated disclosure that he is a serious jazz fan, his nose’s telltale red-blue coloration and his daredevil talk as neo-liberal welfare state adversary and German revolutionary for the public good. Otherwise it’s a bit boring, as, probably, this particular life simply is. At least that is the suggestion. The underlying mood of the documentaries “Wodu” (2000), “Nuclear Football” (2003) and “Digging deep” (1999) is similar – “countenance at half mast” and Federal German “modesty” between green zones, car bumper and world affairs personified by Mr Bush, the architect of Stammheim prison and the aforementioned Herr Henkel. All three works use persons or buildings in an attempt to instructively illustrate the logic of power as indirectly as possible. Strategic longeurs and visual omissions serve to counteract too obvious representational patterns that prominent themes may dictate. The levelling treatment of stylistically instructive interior details at the FGI building in Düsseldorf, the harried catering staff and the film’s supposed main subject sobers and illuminates. Remaining as key images in one’s long-term perception are picturesquely captured subordinate characters such as bodyguards with mobile phones against lawn-green. Involved here are media realities and suggestion before they have been ironed flat by the exigencies of headline ergonomics and mass compatibility. Nothing is seen later of the possible differences between original and processed news items. Creative media analysis is not at stake here. This sounds a good deal more popular-journalistic and sensational than it actually is in their works. Korpys/Löffler’s approach is better described as a mixture of site-specificity and investigative journalism. Image-politically speaking this makes an inside job necessary. Is this the reason for slipping as far behind and between all the theatrical character masks as possible, to capture something more authentic than staged representation? Every performance exacts a considerable propaganda machine.
Witnessing these constructions on site – sets hastily thrown together, the ill-concealed cracks behind the façade – enables one to productively form one’s own pictures. This will probably become increasingly difficult since fewer and fewer people don’t know exactly how to appear with precisely such and such an expression on a mobile phone display or in the newspaper the next morning. Practically every gesture and facial expression behind which a human being lives is on permanent camera alert. A healthy sense of whether one is photo-, tele- or cinegenic is in the meantime probably a condition of being employed.

Linking all Korpys/Löffler’s works is an invisible common thread that surprises one slightly. It is vaguely connected with performance, albeit more a kind of sketch the actors experience and which, later, hardly appears in the works. It’s a surprise because one tends to think of the artists as practitioners of smartly-disguised young men’s art-cum-witty-understatement. Probably not the types to wrap blood-drenched pipe-cleaners round their balls. This, however, according to their own statements is not true. Each of them in his own way has practised precisely this kind of bodily-chastising initiation ritual, only, as is fitting, to reject it heartily. This performative side of their work is related to the scanty scenarios/settings already referred to which provide the raw material for the end-result. Suspense enters these roleplays invisible in the works themselves when it comes to accessing the several locations and persons. For instance it can hardly have been easy to pass as regular press members for the Bush visit. Nor does the existing division of roles allow for artists, which irritates some media pros and can elicit unasked for apologias, e.g. I’m no political lackey and for such and such reasons. Of course, this system is also self-enabling. With a substantial feature on the ex-President of the FGI as reference, the next door opens that much more easily. According to Korpys/Löffler’s own testimonies, these are also the kicks that make their supposedly unworldly artists’ existence – surprisingly – worthwhile again. The artist role facilitates shoulder-rubbing with sites and events where one can actually see the news grow.

The gap between the words “intellectual” and “telectual” fittingly describes the lifelong issue plaguing many an eager-for-knowledge media user and info-nerd. Or a politically conscious fellow citizen for that matter. “Telectual” is the cunning that shrewdly exploits three or four mass media leverage points to turn a nothing or a nobody into a matter of burning political world interest. “Telectual” may be a lame neologism, yet it is worth trying out “televance” for sound too. “Intellectual”, by way of contrast, is to know the idiocy of the process without the slimmest chance of preventing or influencing anything. The “telectual” has a gift for producing hypes whose threadbare construction intellectuals see through mercilessly yet are doomed to be taken in by. Insight as punishment.
As unconditional news-user one wants nothing but the naked truth, or at least facts that will enlighten and inform – if any such thing exists. But, as final link in the information chain, one knows precisely that is what one will as good as never in a lifetime get, and that the news-consumer’s lot is instead a lifelong piss-take. “Optimism is a lack of information.”

[Translation from German by Christopher Jenkin-Jones, Munich]

 

Published: “Jens Wolff” (Catalogue), Revolver 2003

Hardliner

There is a generation of present day artists that has engaged with the so-called Modern Movement to such an extent, that you might think backtracking through several previous phases was the only way ahead. Even ahead is an overstatement, has too strong a whiff of future. This enactment of time now slips into various past garbs without any transfiguring appropriation of the historical ideologies they are based on. It is either a matter of an ultra ‘hard’, consciously applied academicism – as a seemingly ultimate act of provocation and also as a relativization with regard to the hackneyed looks of Post-Pop – or else it is a kind of noble, reversed generational contract with the function is to come to terms with Germany’s past, or even grieve for that past. The idea of transcending the attitudes and aims in life of well-known painters like Wols or Polke, in the final estimate by maximizing them in terms of a modern myth, is unimaginable in the context of the present treatment of ‘old values’. Linear, that it to say final optimization fantasies do no arise for this generation.

The hard edge in painting has long had to battle against vile slanders. On the one hand there was the rumor that it intended to spearhead a possible modernizing movement that would cap a whole swathe of traditions in quality painting, even bid them farewell. In those days its great advantage was that it was the diametrical opposite of the tiny, painterly hand. There was also a remote connection with the ‘Application of artistic means to the service of those strange visions that emanate from the systemic energies in the constructional elements.’ (A. Hoelzl) Betting on the legislative power of formal forces is pretty tough. As if you could for example derive systems for shaping people’s political will from configurations of pebbles or piles of leaves. Mechanizing handicrafts…. This position owes its strength to an invention known as sticky tape, which was given to the world either by Mother Tesa or Mister Krepp. Whatever may have been balanced on a on a knife-edge then, this putative (serious) case of skill-dropping didn’t come off. You only have to open any art magazine today
to convince yourself of the truth of this.
So-called Hard Edge Painting also stands accused of representing a formal analytical force, of being one of the knights of an inquisition in the service of a new retinal formalism that has thrust the evergreen ‘essential picture’ onto the flying trapeze – in terms of the international anti-illusionist picture-space movement. That was converted into spirit by its own superstructure, it has stayed on the road until today in the form of ever-jolly deco-element in interior decoration. At on point it came briefly to a tempting phonetic connection. Straight-Edge and Hard-Edge could have joined forces, and that might gave led somewhere, but Henry Rollins didn’t, it seems, was unwilling.


So anyone who opts to work in a style that carries so much ballast has to know what he is letting himself in for. And Jens Wolf does. There is a clearly defined formal vocabulary, which in its apparently simple execution gives the works distinct signal character. The clearer I am, the more fully I exist. Superpresence through compression. His pictures are positively stiff with the above-mentioned hard edges. The drawing is often so rock-hard in places, that something breaks off, of splits away, as if under the strain. In this way a fragmentary, open aspect comes into play, which may possibly be romantic in character. At any rate it signals a conscious detachment from the ‘raw material’ he is using. You might think tenderly of poster-tearers, or de-collagists. These breaks or chipped edges have none of the qualities of stress-marks caused by wear and tear. They seem to be placed more like graphic vectors, and that again avoids any excessively antique look, The choice of new wood for the picture supports gives an additional sense of the present..

So Jens Wolf’s pictures deploy their historical resources offensively. The aforementioned hard edge is just one of them. His basic materials are the standards of an abstract painting that that are now in general use, and have long stood for the elevation of the classic. Unfortunately there is no word for this. In many of his pictures you instantly recognize Stella, Albers, Noland, a little more tenuously Newman too, as his sources. No fear of great names is always good. Terms like sampling and covering that are much bandied about in art – in analogy to music – are here evidently undergoing a process that has nothing to do with the representative’s mentality or authorial rights. In a general way these concepts get tossed about as impressive sounding synonyms for quotation, repetition and no ideas. If, as I have said, hard and broken or chipped contours essentially characterize his pictures, then what we have here we are two originally distinct stylistic features, each with its historical connotations, that could never before have entered into discourse with one another in the same picture, now brought together under a single heading.
It isn’t therefore about building a position in genealogical fashion on top of previous burdens, but rather about an attitude of mind, which in making pictures primarily examines how the gaze can be freed to see things again that we have seen so often, that their original intention long ago became invisible. The success of this can naturally only be approximate, and it is in any case only one aspect of his work. Jens Wolf is not in the business of painting a partial Stella or Noland as if it was the first one, which the world is getting a second chance to see ‘again’.
The old-masterly passages only play a minor role in his pictures. Another example of how covering can function quite serviceably in art can be seen in the pictures which explicitly take up standard works by Josef Albers. In comparison to other pictures these stay very close to the original. The interventions Jens Wolf does make are therefore much more striking. The principle of serial rectangles within rectangles is jokily and provocatively interrupted by giving a parallelogram-like twist to every right angle. The decisive thing here is not the slight, fun distortion of a classic of modernism, but the precise adjustment of the color values, which encodes the source image afresh. Here, with a slight shift in instrumentation, a recapitulation of a modern myth is created, which allows that myth to stand refreshingly alongside, facing this response. So not a sentimental journey in time, feeding exclusively off beautiful old corpses, without investing any capital of its own. Here one is instantly curious as to how the basic materials and their conversion will work in conjunction. Probably like a controversial duet for a common cause. Possibly, with working methods like these and the ones described at the outset, we ought to attempt to decline them conceptually, as functioning somewhere between quotation and appropriation, or the other way round, and yet they can somehow function without the weaknesses of those well-known cultural techniques.

Translated by Hugh Rorrison

 

 

 

 

 

aus:  Katalog "Ökönomien der Zeit", Museum Ludwig, Köln  2002 (Revolver Verlag)

Frischer Staub
Ein Trick, mit dem man plötzlich Steine essen kann

Der Text befasst sich mit Bekanntem. Das Bekannte ist immer das nächstliegend Verkannte und das Fremde lugt aus jedem Hemde. Das Besagte ist umso weniger spektakulär wie es dafür allgegenwärtig ist. Es verhält sich damit ein wenig wie mit diesem oder jenem guten Bekannten, dem man je nachdem zu oft oder selten auf offener Straße begegnet und auch etwas zu höflich mit sicherem Abstand grüßt. Und umgekehrt. Diese Art Verhältnis lebt abstrus davon, dass es weder eine bewegte Vergangenheit hat noch jemals eine verlockende Zukunft braucht. Als eines der wenigen Beispiele für fruchtbare Stagnation ist es seltsam frei und beständig im Raum-Zeitkontinuum sonst flatterhafter Sympathiekurven. Das Bekannte liegt formulierungstechnisch hübsch direkt gegenüber dem sogenannten ‚Fremden' oder ‚Anderem'.

Während man früher bei der Betrachtung meist eine einzelne klare Solostimme zu vernehmen meinte, - oder zumindest eine zuorden bare Stimmlage des Verursachers -, klingt heute eher ein diffuses Gemurmel oder mehrstimmig abgemischter Backgroundchor aus einer Arbeit hervor, auch wenn nur ein Name unter der Kunst steht. Was ist so schlimm, wenn immer viele alte, überlieferte Stimmen aus einem aktuellen Sprechorgan, der vielleicht dein Mund oder mein Zeichenarm ist, mit heraus schwingen? Abgesehen davon, dass diese au ch gern gleichzeitig durcheinander reden, - man also beim Sortieren der Zeitschienen gehörig auf der Hut sein muss -, hat dieser ominöse Sprechapparat auch noch einen hässlichen Namen wie 'kollektives Bewusstsein'. Wenn ich in alten Tönen spreche, dreht mir der Zeitungshändler auch gern die Zeitung von gestern an.

Vieles spricht von und für Retro. Natürlich schon länger. Und vielleicht nur, um mit einer gewissen Gelangweiltheit eventuell produktiver umzugehen. Die Stadt, in der immer mehr leben wollen, heißt Retrograd. Dort gibt es jede Menge Dächer über den Köpfen, aber kaum Häuser unten herum. Um die Behausung ist es bei Zeitreisen immer schlecht bestellt. Die Frage ist natürlich, ob ich nicht auch einfach zur Abwechslung mal Restauration toll finden muss. Und das möglichst wenig modisch bedingt. Auch im neuen Jahrtausend weiß ich eher weniger, ob diese anhaltende Kulturphase in und um mir nun Postmoderne oder Moderne heißt. Einem Fußballverein wie Bayern München geht das anscheinend ähnlich. So lassen sich jedenfalls die zwei äußerst konträr ausgewählten Stadionentwürfe interpretieren, von denen einer eindeutig eine postmoderne Reminiszenz (Herzog & de Meuron) an den biomorphen Urahn Herrmann Finsterlin ist, während der andere von Gerkan, Meinhard und Partner eher prototypisch zweckdienlich einen wehrhaften Konstruktivismus in den Himmel spießt. Die Undefiniertheit, bzw. das nicht sofort an der nächsten Ecke eine Antwort zu dieser Frage lauert, spricht wiederum für Postmoderne. Für jemand wie Mike Kelley geht die Postmoderne eher erst seit kurzem los. Die Bezeichnung eines gehörigen Zeitabschnitts ist hier auch nur von Belang, weil sich Moderne und Postmoderne in dem Punkten Innovation und Wiederholung vermeintlich inhaltlich diametral gegenüber stehen. Man kann das zugeordnete Begriffspäarchen auch Erfindung und Vertiefung nennen. Schon ist eine andere Wertigkeit im Spiel, bei der die finale Optimierungsphantasie in beiden Labels wieder durchschlägt.

Stilgeschichtlich sind jede Menge solcher Nachphasen bekannt, die eine sogenannte kulturelle Hoch-Zeit sozusagen gebührend mit Übertreibung, Verfeinerung und auch Manierismus rekapituliert und verabschiedet haben. Nimmt man die Moderne als solch relevante Epoche, dann fällt auf, dass diese im Unterschied zu anderen eine beträchtlich höhere Vielzahl an möglichen Stilparadigmen und Maximen in sich entwickelt hat. Von denen einige sicher auch länger hätte zelebriert werden können. Das mag im nachhinein am stärkeren Avantgardewillen jener Zeit gelegen haben, der dann alsbald zum Dogma wurde. Und kein Dogma ohne Stigma usw. Wie sich denken lässt, sind Kubismus, Dada, Surrealismus, Konstruktivismus, und mit Abstrichen Expressionismus sowie neue Sachlichkeit gemeint. Weiter ergibt sich daraus, dass die Abschiedstournee der Moderne eben entsprechend langwieriger und unübersichtlicher ausfallen muss, weil es jeweils eine erhebliche Menge an diversen Ansätzen innerhalb der Moderne gab. Das Verhältnis von verbrauchter Zeit ist ohnehin schon untypisch gleichwertig. Datiert man den Beginn der Postmoderne auf die sechziger Jahre, kommt man circa auf vier zu sechs Jahrzehnte. Das heißt, der Nachtisch dauert schon annähernd lange wie der Hauptgang. Nicht nur von diesem numerischen Abgleich her wird aus dieser Sicht klarer, dass die Postmoderne nicht nur ein nachgereichtes Anhängsel sein kann. Zumindest gewinnt die Haltung an Plausibilität, die auch die Postmoderne in verschiedene Etappen gliedert: Anfangs geprägt eher von wildem wahllosen Eklektizismus, der jetzt bereits viele abrissbedrohte Rathäuser in Kleinstädten ziert, kann man jetzt denken, dass sich aus gezielten Stilzapping durchaus brauchbare Symbioseplots erzielen lassen. Nach "anything goes" heißt das dann "reflected selected, best rest contest, ..." oder ähnlich. Es klingt nicht nur phonetisch plausibel, wenn nach vielerlei angebrachtem Dekonstruieren es auch wieder zu rekonstruktiven Phasen kommen muss.

Im Moment ist innerhalb eines bestimmten regionalen Radius eine Tendenz zur Ästhetisierung beobachten. Hierbei handelt es sich um Ästhetisierung mindestens zweiten Grades. Also eine Ästhetisierung nach der ziemlichen erschöpfend ausufernden Postpop - Phase. Eine alte Regel bei Zyklikern lautet: nach zu viel Pop kommt zur Strafe immer Kitsch. Die Spannungsfelder dabei laborieren und kokettieren deutlich zwischen echter Schönheit und eben echtem Kitsch. Aber warum nicht? Aber natürlich kommt das auch eben der leidigen Verhübschungspflicht von Kunst sehr entgegen. Wir kümmern uns um die Details, und Sie machen ja eh den großen Rest drumherum.

Weniger rhetorisch formuliert wird hier die Frage interessant gemacht, wie es kommt, dass manche Kunst oder kulturelle Tat, wenn sie sich weitgehend aus bereits bestehenden Attitudes speist, einmal belämmert als Akademismus oder Historizimus dasteht, oder im besseren Fall aus den vermeintlichen Altlasten etwas Synergetisches aufzubereiten vermag, wobei verarbeiteter Staub plötzlich vor Frische flirrt.
Wenn - im schlechteren Fall- etwas annähernd ident - zum dritten, vierten Mal realisiert wird, von unterschiedlichen UrheberInnen aus verschiedenen Zeiträumen, und weiter jeweils in einer Art Premierenmodus präsentiert wird, kann man einfach schlecht ebenfalls zum fünften, sechsten Mal sagen, was soll der redundante Quatsch. Sollte man natürlich trotzdem tun. Nebenbei ist das ein Beispiel für ein Handikap von Kritik gegenüber dem sogenannten Faktischen. Beim siebten, achten Mal Kulturleistung mit hoher Selbstähnlichkeit verschwimmt eine ehemalige individuelle Urheberschaft immer mehr zum Ritual, das dann als Gemeingut oder Open Source verwendet werden kann, eben frei zugängliches Kulturgut. Beim Karneval kam es nie auf seine Erfindung als Tat an sich an oder dass die Zelebrierung ausschließlich seinem Erfinder vorbehalten gewesen wäre. Eine andere Ritualisierung lässt sich an einer bestimmter Art, altersbedingt Gitarre zu spielen, festmachen. Das hieß dann mal Indie, dann Grunge, und vielleicht jetzt Postrock, aber die Stilelemente von einem bestimmten Aufbruchs- und Unmutsgestus her waren/sind sich stark ähnlich gewesen. Insofern ist hier einer ehemalige Stilüberraschung einer generationspsychologische Kanalisierung widerfahren, die sich gut mit akustischen Bedürfnissen beim Aufräumen oder Autofahren trifft.

Im einfachen günstigen Fall geht die Rechnung auf durch ein gewisses verstrichenes Zeitmaß, in denen bestimmte Stilcodes scheinbar verschwunden waren, und dann nahezu absehbar ist, wann sich ihr Revival anbahnen wird. Je hipper etwas mal war, um so stärker wird es danach dem Vergessen anheim fallen, wenn man das naturalistisch deuten möchte.
Man kann auch so tun, als gebe es einfach keine Zitate mehr. Nicht um sich doof zu stellen in der Hoffnung, die Unschuld des Naiven möge wieder über einen herfallen. Und nicht wegen eines dann enteigneten geistigen Eigentums. Auch nicht um einen rhetorischen Neustart durchzuspielen, wie das Zero polemisch getan hat. Sondern weil besser vorstellbar wird, das Covern und Sampeln in der Kunst etwas anderes sein kann als klassisches Zitieren oder mit Referenzen zu winken. Um beim Musikvergleich zu bleiben: wenn in einem neuem Stück Musik ein paar sehr bekannte Gitarrenriffs mit durchklingen, wird dadurch nicht das ganze Stück historisiert, sondern das Versatzstück aus der Vergangenheit kann undominant als eine Komponente von anderen mit ins Spiel kommen. Also ist der Einsatz eher eine Dosierungs- oder Proportionsfrage, die den gesampelten Anteil auch so klein halten kann, dass nur gerade submental die Erinnerungswerte wach gerufen werden, vielleicht sogar unerkannt. Dies ermöglicht z.B. bei überhörten Komponenten wie Keith Richards Gitarrenriffs, diese wieder wie neu zu hören, d.h. ohne dass man automatisch Mick Jaggers Knautschlippen dazu imaginiert. Absicht dabei ist natürlich nicht, Klassiker zu entkontextualisieren, sondern mit Versatzstücken arbeiten zu können, ohne dass deren Vordefin itionen voll durch schlagen.
Wenn die aktuelle Lebenszeit so ausschlaggebend als ästhetisierender Kontext ist, müsste bei einer stilistischen Zeitreise in z.B. die dreißiger Jahre deutlich bemerkbar sein, ob sie als Remake von den siebziger oder neunziger Jahren aus gestartet wurde. Wie es in kontextuellen Arbeitsweisen vorkommt, kennt man Vergleichbares weniger als produktive Beutetechnik, sondern viel mehr rückbezüglich und wissenstechnisch, auch gut versteckt, aber nur via theoretischer Apparatur dekodierbar. Es dient eher besserwisserisch der akademischen, also historizistischen Rückversicherung unter Kennenskennern. Wir unter uns über uns hoch uns. Hier wird dann Kontext oder ein höfisches Wort wie Referenz eher synonym zu Akademismus.

Eine Menge Fragen würden sich anders stellen, wäre die Kunst mehr auch eine Repertoirekultur wie Film, Oper, Musik und Tanz. Dass sich diese Frage stellt, kann als Zeichen für den Übergang von Kunst als Innovationskultur eben in Richtung Repertoirekultur gelten. Die verschiedenen Kultursparten, falls ein Ranking hilft, befinden sich in gut kurzgeschalteten Parallelwelten. Die Verabschiedung von Kunst als Avantgardekultur ist schon länger her, aber die Anspruchshaltung und Funktionsumfang des Kunstsystems benehmen sich immer noch überkommen federführend. Bildende Kunst ist, wenn überhaupt, mit anderen Sinn- und Bildbranchen auf gleicher Höhe. Der Avantgardeanspruch hat sich spätestens mit den siebziger Jahren mangels weiterer Pionierleistungen selbst verbraucht. War ursprünglich jeweils neuer Inhalt, der das vorherige Paradigma toppen konnte, Grund für die schnellen Wechsel, sind davon in einer gewissen Redundanz bekanntlich nur die schnellen Wechsel übrig geblieben. Der letzte markante Feuilleton-Input "Videokunst" (außer durchweg eher genealogischen Arbeitsweisen oder die Übernahme gesellschaftlicher Aufgabe wie "Historienschinken" durch ausdifferenzierte Sachfotografie)* war erstens nur möglich durch ausdifferenzierte Präsentationstechnik (Beamer) und zweitens bewegt sich das filmische Vokabular hier weitgehend bekannt zwischen Musikclips und freigesetztem Autorenfilm. Die Rolle des Künstlers als Interpret anstelle z.B. des ‚Erfinders' oder ‚Supervisor', hat eine andere gesellschaftliche Wertigkeit. Insofern lässt sich eventuell auch bei den erwähnten Retrograden mit Begrifflichkeiten wie "Kunst" und "Handwerk" herumjonglieren. Parallele Diskussionen über neuere Oberflächen ringen dementsprechend um Begriffszonen und Definitionsanspruch zwischen Kunst und Web-, Medien-Design o.ä. Eine ähnliche Kategorisierungsfrage stellt sich noch mal von anderer Seite, wenn und wie z.B. auch unabhängig erstellte Software sich unter der Rubrik "Kunst" subsumieren lässt. Dass es immer so wenig Begriffe dazwischen gibt (außer schmierigem "artwork"), signalisiert ein Sprachdefizit und weiter ein Denkmanko und verhält sich fast so, als wären auf dem Lineal zwischen den Ziffern 4 und 9 keine Zahlen erfunden worden. Ob Kunst als Repertoirekultur so vorstellbar ist, dass jede Teilgeneration ein brauchbares Update von Picassos "Guernica" oder einer Bruce Naumann - Arbeit abliefern muss, ist auch die Frage.


* Relevante Veränderungen in der bildenden Kunst der letzten drei Jahrzehnte waren kurz gefasst die um sich greifende Merkantilisierung der Kunst, Postpop nonstop, Etablierung der Videokunst als Kunst sowie darin enthalten gleichzeitig eine bestimmte Subsumierung des sogenannten Autorenkinos im Kurzfilm oder Experimentalclip. Institutionskritik dritten Grades, Netzkunst, die medienanalytisch und mit Telefonkabel Warencharakter und Publikumsbegriff aufgelöst hat, vielleicht noch eine Wiederentdeckung des Sozialen unter stärkerer Berücksichtigung eines eher affirmativen Dienstleistungsaspekts, Themenillusionismus, weniger Westzentrierung bei Künstlerlisten.


Zur Verhältnismäßigkeit verwirrter Bedeutungsteilchen

Auf den Bildern von Nikolaus List sind öfters kleinere Ansammlungen von Figuren im Spiel, die sich um eine zentrale herausgehobene Figur lose gruppieren, oder im Freien manchmal auch nackig diverse abstruse Dinge treiben, wie dem großen Fisch das Maul aufhalten. Es geschieht dort weder Sex noch Hausbau. Wenn bauliche Maßnahmen auf den Wald- und Wiesenmotiven vertreten sind, handelt es sich meist um absurd improvisierte Bauwerke aus Rundhölzern und Findlingen, die funktionsuntüchtig zwischen Budenbau und niedlicher Arte Povera changieren. Die Stimmung in den Freiluftszenerie ist merkwürdig unbescholten, für paradiesische Verhältnisse ist die Atmosphäre aber dann wieder etwas zu muffelig. Auf allen verschiedenen Motivreihen und Ausführungsweisen von Nikolaus List ist ein sinistrer Symbolhaushalt im Gange, der subtil und zart die Zunge hinausstreckt in den frischen Sommerwind, ach, falls du auf Auflösung und/oder Kontextchiffren aus bist, wirst Du hier aber nicht bedient.

Wie mag das vor sich gehen, wenn Bäume sich streiten? Erst knurrt und knarzt es im Geäst und das Vogelgezwitscher macht den Vermittlungsapparat? Nikolaus Lists Bilder, auf denen sich das feingliedrige Geäst zweier oder mehrerer Bäume ineinander schlängelt und verharkt, geben eine kleine Ahnung davon. Aber das höchstens als Nebeneffekt dieser Arbeiten. Dass sie unweigerlich Disput haben müssen, allein weil Bäume sich lebenslang keine Sekunde aus dem Weg gehen können, steht wahrscheinlich außer Frage, auch wenn sie bisher schlecht Kunde davon geben können. Womöglich rufen sie den Wind zu Hilfe, wie die Bilder nahe legen, um sich mit ihren Ästen und Zweigen ineinander verwickeln zu können. Oder kommt immer nur Sturm auf, wenn Bäume streiten? Vielleicht sind sie auch bloß zärtlich zueinander, und werden manchmal etwas derb dabei. Wie allerdings das komplexe Ast- und Zweiggewusel sich nach Konfliktende wieder entknoten lässt, bleibt auf den Bildern offen.

Einen Verbindungsmoment kann man den meisten Sujets und Bildmotiven von Nikolaus List zugute schreiben oder interpretermäßig unterjubeln. Verbindungsmoment ist hier sehr wörtlich gemeint. Profunde Dinglichkeiten treten in unüblichen Konstellationen auf. Eine Hand lässt ein Ei ohne Schale in eine andere Hand gleiten. Sehr, sehr viele Arme bilden ein unregelmäßiges Rahmenwerk aus Berührungen, durch das sich wiederum viele gekochte Spaghettis schlängeln. Auf einem Bild gesellen sich noch Perlenketten dazu. Alltägliche Essentials werden ein wenig verschoben baukastenmäßig ineinandergeschubst.
Ein weiteres zentrales Motiv ist eine trichterförmige Choreographie vieler Finger vieler Personen, die sich dort zwecks Erfindung des Pulverkaffees eingefunden haben, wie der Titel des Bildes verrät. Die Bilder bedienen sich der dramaturgischen Struktur einer Allegorie oder Bildmetapher, ohne das Sendungsbewusstsein dieser Kulturformel zu bedienen. In dem Fingertrichter sieht man kaffeebraune Flüssigkeit, wie in einem echten Kaffeefilter, was das aber mit dem Entwicklungsschritt zu gemahlenen Kaffeebohnen auf sich hat, wird eben nicht erhellt. Von den erwähnten Beispielen gibt es oft abgewandelte Versionen, mit jeweils anderen Bestückungen, wodurch sich der Eindruck am Interesse struktureller Erzähltechniken verstärkt. Es geht auf verquere Weise um beredtem Symbolismus, der sich verschmitzt an seinen eigenen Codes verschluckt, oder dem stets eindeutig die Luft- bzw. Bedeutungszufuhr fast abgedreht wird. Aber eben immer nur fast. Vielleicht ist es auch das interessante Geräusch einer Vollbremsung kurz vor der Pointe oder eines kastrierten Plots. Gelegentlich auftauchender Text arbeitet ähnlich mit gezielter Enttäuschung: "Unbemerkt verdünne ich den Kaffe der Leute mit kaltem Wasser. Dadurch wird er lauwarm und fad. Diese Leute, die immer erzählen vom ‚guten Kaffee' ‚von der guten Gesellschaft'." Es liegt natürlich nicht an den Bildern oder der Darstellungsart, dass diese Symbole schon lange zum Klischeeträger geworden sind. Da war doch irgendetwas mit Namen Postmoderne schuld. Es ist auch ein stilistisches Rückeroberungsvorhaben. Von der Machart her sind die Bedeutungssets stoisch und zärtlich moduliert, aber auch jeweils unterschiedlich ausgeführt: Während die kleineren Zeichnungen mit Figurengrüppchen vergleichsweise beherzt simpel getuscht wirken, sind die Baumbilder oder auch die Handchoreographien eher präzise neusachlich bis grafisch ausgefeilt. Die versachlichte Darstellung signalisiert eine inhaltliche Distanzierung zum Abgebildeten, die wiederum mit dem naiv-verschmitzten Wechselspiel zwischen profund und abstrus korrespondiert. In den verschiedenen Bildstilen wird auf die üblichen malerischen Befreiungsgesten verzichtet. Beliebte Hintergründe sind ästhetisch-kitzliger Airbrush-Farbverläufe. Die Figurendarstellung verhält sich zwischen naiver Sachlichkeit, Kunstleistungskurs, Fabelillustrationen und auch surrealistischer Menschendarstellung. Falls hier mehr Surrealismus im Spiel ist, dann eindeutig ohne den entsprechenden Über- und Unterbau. Manche der Motive, simpel in einem Satz nacherzählt, klingen nach Ironie, die den Bilder angenehmerweise komplett abgeht. Je nachdem, wie sehr eine Symbolik (zertretene Coladose oder Windowslogo) entbraucht oder blind geritten wurde, stellt sich immer wieder die Chance zur Neu- oder Umcodierung. Das ist eine Frage des Zeitpunkts und des jeweiligen Einverleibungspotentials. Und funktioniert erstens über den Überraschungsmoment des immerschönen Rechts auf Blödsinn und zweitens über Ausjustieren der dabei entstandenen Untertöne und frei verschobenen Assoziationsraster. Also die entstehende Form des hinüberglibbernden Eiweißes vom Anfangsbeispiel sollte halt z.B. weder allzu sehr an ein Radio noch an Spermienschwärme erinnern. Oder in einer perspektivisch stark fluchtenden Publikumsmenge fällt ein entblößter Frauenbusen weich auf die Glatze eines weiter unten postierten Mannes. Das Bilddetail erinnert in seiner Ausführung auf den ersten Blick weniger an die vermeintliche kleine Obszönität dieser Szenerie als auch an ein architektonisches Säulensockeldetail, bzw. die Melange aus beidem macht das Ensemble interessant.

Man gerät auch beim dritten, vierten Anblick ins Stocken angesichts diesem Vielerlei an abstrus banal profanen Andeutungsangeboten. All diesen verwirrten Bedeutungsteilchen ist ein verquerer Charme zu eigen. Vielleicht werden sie viel sympathischer, weil sie weniger Sinn tragen müssen. Es könnte etwas mit Postzynismus zu tun haben. Die nahezu sachlich naiven Stilmittel funktionieren wahrscheinlich so gut, weil sie wiederum extrem banalisiert wurden. Die jeweiligen Symbole bzw. Dinglichkeiten wirken wie schlecht gewählte Stellvertreter oder unwürdig gewordene Statthalter ihres ursprünglichen Verkörperungsanlasses. Wenn man eines dieser Spiegeleier fragen würde, was das denn ist, ein Spiegelei, es könnte sich mit Sicherheit nicht erinnern. Ich ein Ei? Was ist denn Ei? Die Scham über die vollständig verlorene gegangene Beziehung zum eigenen Entstehungsanlass, macht auch die betretene Stimmung auf diesen Bildern aus. Wenn der Baum oder die Figur nicht mal mehr ihren eigenen Inhalt kennen und benennen kann, wie sollen dann die Konstellationen untereinander, die auf den Bilder inszeniert werden, linear sinnstiftend sein können? Statt referenz- und/oder malereitechnisch zu becircen, funktionieren die Bilder von Auge zu Auge, so wie man jemand manchmal unvermittelt tief in die Augen schauen kann, dabei aber plötzlich alle Einkaufzettel oder Schulden des vergangenen Monats entdeckt, ohne jetzt humanoid werden zu wollen.


aus:  DE:BUG / 9/2001

Außer, wenn er Dackel malt

Qualität von Malerei lässt sich sehr einfach daran festmachen, wie gut jeweils Naturelemente dargestellt sind. So ein Einkaufsratgeber mit Jungsammlertipps von Sotheby's. Vorausgesetzt, das Abgebildete hat auch nur entfernt mit weltlichen Erkennbarkeiten zu tun. Wem das als Bewertungskriterium zu heikel ist, kann es probehalber mal auf das Naturelement ‚Manneskraft' bei Jackson Pollock anwenden. Borderlinejournalismus lohnt sich öfter, als man denkt. David Hockney hat diesen Testmoment besonders souverän gelöst. Er kann Wasser malen, dass es Durst löscht. Er kann Wasser malen, dass man es nahezu verdunsten sieht. Wahrscheinlich könnte er auch Wasser malen, das es sprechen kann, wenn er nur wollte. Hockney malt dann vermeintlich ungelenk ein Netz von kalkigen Schlenkerlinien auf billigtürkisem Grund, und trotz dieser sehr, sehr naiv-entfernten Darstellungsweise des feuchten Naturelements, bekommt man fast Angst, gleich wird mein T-Shirt nass. Legte man alle von ihm gemalten Swimmingpools nebeneinander, so käme als Gesamtfläche inzwischen sicher ein mittlerer Badesee zusammen. Natürlich ist Hockney viel zu schlau, als dass er einen blöden Baggersee malen würde. Darin kann man hübsche nackte Männerkörper viel zu schlecht erkennen. Wenn das jetzt formal nach enzyklopädistischen Naturstudien klingt, täuscht das über sein weites Motivspektrum von Dackel, Rasensprenger bis zu den Rocky Mountains hinweg. Eigentlich ist sein Rezept für tolle Bilder, denen man immerzu zujubeln möchte, viel zu simpel: er liebt es zu malen, und er malt nur das, was er liebt. Ganz klar, dass da etwas in Richtung ‚optimierte Seherlebnisse' kulminieren muss. Wie man in der Bundeskunsthalle Bonn sehen konnte, fällt sein starkfarbiges, ölhaltiges Spätwerk gegenüber den sehr vielen tollen Bildern aus den sechziger Jahren ab, aber das trübt den beneidenswerten Gesamteindruck seiner Malerei nur unwesentlich. Die vielen verschiedenen Abstraktionsgrade seiner Wasseroberflächenvirtuosität zeigen, wie sinnvoll Abstrahierungsmomente trotz aller modernistisch monochromen Sackgassen immer noch sein können. . (Wie ja alle wissen, ist Reduktionismus oder Essentialismus oder Minimalismus eher eine Nebenwirkung von mentaler Magersucht.) Man könnte auch ähnlich freudig über den Umstand schreiben, dass Hockney einer der wenigen ist, die überhaupt mit dem Genre "Porträt" umzugehen wissen oder selbst beim "Kubismus" als Ausgangsmaterial keine weichen Knie bekommen. Im letzten Jahr hat er ein Buch ("Secret Knowledge") über die ‚geheimen' Techniken Techniken, also optische Hilfsmittel wie die "Camera lucida" (Konkavspiegel), in der Malerei von anno dazumal bis heute fertiggestellt, das im Herbst erscheinen soll.

David Hockney - "Exciting times are ahead" - Eine Retrospektive - 1.6-23.9.2001 - Bundeskunsthalle Bonn

aus:  DE:BUG / 12/2001
Pracht und Platz füttern einen Horizont

Auch wenn die zwei Städte London und Berlin nicht viel gemeinsam haben, herrscht in Kunstkreisen ein vergleichsweise reger Pendelverkehr zwischen beiden Orten. Das mag auch am existenzfreundlich osteuropäischen Berliner Preisniveau liegen oder an preußischem Metropolenneid. Angela Bulloch, Heike Baranowsky, Merlin Carpenter, Kerstin Kartscher und Lucie McKenzie sind Namen, die gern in beiden Richtungen beim Cityhopping unterwegs sind.

Kerstin Kartscher protzt hübsch herum mit Fertigkeiten bei der Bildherstellung. In Zeiten, in denen fast jede dritte Hand an einer Computermaus festgeklebt ist, hat Bildvirtuosität per freiem Fingerkönnen etwas unbedingt Erbauliches. Bei Strichcodes denkt man eher an jene schw arzweiß-gebalkten Barcodes, die SupermarktkassierInnen von dieser leidigen Preiseintipperei und folgenden Fingerarthritis befreit haben.
Bei Kerstin Kartschers imposant-komplexen Strichbündeln und Zeichenwegen sorgt man sich auch schon ein wenig um Gelenkverschleiß, aber das greift etwas vor. Man wird meist durch einen weit gespannten Horizont in den imaginierten Bildraum gelockt. Man kann an utopische Architekturzeichnungen denken, und dass Landschaftsdarstellungen selten so gut wie hier als interessante Kunst funktionieren. Einer alten Entspannungsregel zufolge steht es schlecht um die Entspannungswerte, wenn deine oder meine Netzhaut nicht mindestens 5 Min. täglich an einer realen Horizontkante entlang gleiten können, warum eben alle Seeleute so relaxt aussehen. Der Aspekt "Augenyoga" in ihren großformatigen Zeichnungen ist aber höchstens teilrelevant. Kerstin Kartschers Bündel an Strichcodes umfasst klassische Schraffurlagen, PrinzessInnen- und/oder Postgirlismlook, etwas Knastgrafik und gerade noch hippes Minimalismus-Artwork. Das klingt, richtig, nach Bildwelt mit Zeitreise, wobei die verschiedenen Zeitzonen nichts voneinander gewusst haben können. Vielleicht verstehen sie sich darum so gut. Irreführend ist hier aber der additive Charakter der Aufzählung an Stichworten, als wären die genannten Stilweisen schnäppchenhaft oldschool-PoMo-mäßig aneinandergebappt. Ganz falsch. Vielmehr wird hier, was nach vordefinierten ästhetischen Fertigteilen klingt, auf eine symbiotische Weise zusammengebracht, die die Stilmontage homogen und wie selbstverständlich frisch vom Baum gefallen wirken lässt. Die Zeichnungsweisen sind weder speziell originalitätsgeil noch zu kühl systematisiert. Fiction-Momente werden von jeher am plausibelsten auf dem Zeichenwege und unter einem Oldschool-Deckmäntelchen eingeläutet. Die graduellen Feinheiten, die das in den Zeichnungen möglich machen, sind schwer zu benennen, aber da. Manchmal knirscht das Traditionelle in all den Schraffurlagen. Eventuell ist das ein Kodierungsumweg, der die zum Teil eigentlich kitschlastigen Bildkomponenten sendefähig macht, ohne jede Fake- oder Trash-Attitüde. Man kann im visuellen Bereich ohnehin zunehmend schwerer von Zitaten sprechen. (?) Falls es diese Kulturtaktik doch noch gibt, sieht man jedenfalls bei Ke rstin Kartschers Zeichnungen vor lauter Synergieeffekten überhaupt keine Gänsefüßchen mehr.
Es geht ihr natürlich darum, den Bildraum als Statement und Tat wieder freizuschalten, auch für visuelle Fiktionen, Illusionen oder am besten visionäre Momente. Die Formulierungsprobleme, auf die man stößt, will man das in diesen Worten mitschwingende Pathos umgehen, kennzeichnen indirekt den Schwierigkeitsgrad, den die Zeichnungen zu händeln wissen. Selbst der letzte Infohopper mit Referenz-Hangover beklagt den totalen Utopieverlust, der ihn immerzu aus coffeinfreien und contentarmen Zonen des Wellness-Regimes ankeift. Mach' etwas, das Pracht und Platz hat, dass die Sehnsucht sich zeigen kann, ohne dass sich die Poesie gleich wieder ins eigene Knie schießt.


Kerstin Kartscher, "Refuse to know" 17.11.01 - 7.2.02
Galerie Karin Guenther, Admiralitätsstr. 71, 20459 Hamburg, Tel. 040 3750 3450
Geöffnet Mi-Fr 13 - 18 Uhr Sa 12 - 14 Uhr

Galerie Giti Nourbakhsch Rosenthaler Str.72 10119 Berlin, 030 4404 6781
Eröffnung 26.1.2002, 19 Uhr
Di -Sa 11 - 18 Uhr

         
       

Zaesurenbild

Mit dem Motiv werden weltweit die Körperbaustellen eröffnet, dachte man mal im ersten kleinen visuellen Schreckmoment. Das Bild ist fünf Jahre alt. Und hat im strengen Sinn wenig mit der ominös vielbeschworenen Gentechnik zu tun. Wenn es ein transgener Vorgang gewesen wäre, hätte die Maus einzig und allein aus ihrem Gencode heraus, ein Menschenohr auf seinem Rücken aufwachsen lassen müssen. Hier aber handelt es sich um ein plakatives Beispiel für Organtransplantationen zwischen verschiedenen Lebensformen. Das menschliche Ohr wurde isoliert in einer Petrischale aufgezogen, und dann als Ganzes auf den Rücken der Maus transplantiert, wo es wiederum von der wachstumsfreudigen Haut der Maus komplett eingemeindet wurde. Also kein großer Unterschied zu den heiklen Experimenten mit Schweineherzen z.B. als Ersatz für Menschenherzen.
Hier wurde in der Forschung gerade ein mutmaßlicher Durchbruch erzielt, indem Schweinen jenes Gen abgewöhnt worden sein soll, dass immer zu heftigen bis letalen Abstossreaktionen bei Organtransplantationen zwischen Schwein und Mensch führt. Beim biopolitischen Marketing für möglichst liberalisierte Gesetzesnovellen macht sich das doppelte Lämmchen natürlich erheblich besser, weil jeder hungrige Magen erst mal einfach sofort doppelt so viele Lammkoteletts auf seinem Teller sieht.
Der Schrecken, den die Maus als potentiell mobiles und humanes Ersatzteillager auslöst, beruht weniger auf menschelnder Anteilnahme dem missbrauchten Tier gegenüber. Es ist mehr der Schauder einer hiermit dokumentierten Auflösung der Unantastbarkeit an menschlichen Masse, die so leichtes Gruseln macht. Auch dein Körperbau steht kurz vorm Raubbau als Rohstoffquelle, falls dort noch nicht zuviel Sondermüll angefallen i st. Die vermeintliche menschliche Masse ist bisher unverrückbar strikt gekoppelt an wiederum einzelne Individuen, die sich selbst, bei welchen Alltagssorgen auch immer, als ganzheitlich komplette Einheit ansehen. Wie es auch immer um ‚mich' bestellt sein mag, letztlich bin ‚ich' ein gewisses großes Ganzes, das sich sehr, sehr faktisch durch diese meine realen äußeren Körpergrenzen manifestiert und definiert, auch wenn die Identität mal wieder gerade flöten geht. Diese etwas irrige Ganzheits- und Unteilbarkeitsfantasie, die jedem Menschen innewohnt, dokumentiert sich auch bei echten Schockmomenten, wenn man z.B. bei Verletzungen seine eigenen inneren Organe angucken muss.
Wenn man mittelfristig weiter vorgreifen will, legt das besagte Foto auch Perspektiven nahe, selbst als zweckentfremdetes Medium wie die Maus z.B. als Trägermedium oder flexibilisierte Petrischale für chirurgisch besonders hübsche Nasen tätig zu sein. Na, und? Wenn jemand seine zweite überflüssige Niere im freien Markt in Mitteleuropa gegen einen gebrauchten Golf tauscht, verursacht das nur noch leichtes Schaudern. 63% aller Bundesbürger sind eher gewillt, Obdachlosigkeit in Kauf zu nehmen als auf ihren PKW zu verzichten.
Als Künstler musste man dem Foto natürlich Begeisterung schenken, weil es so eindrucksvoll klar macht, wie sehr der Surrealismus schon immer recht hatte.